München im Frühjahrsblues

Nach dem Königklassen-Aus tut sich Bayern in der Liga schwer, im Pokal kommt nun der BVB

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Arjen Robben wollte eigentlich nichts sagen und blieb doch stehen, mit Abstand zu den Gesprächspartnern und vernehmbarer Distanz zu seinen Kollegen. »Du kannst die Bundesliga entscheiden, du spielst für die Meisterschaft, da muss ein bisschen mehr kommen«, räsonierte er. Robbens Ehrgeiz ist berühmt und zuweilen berüchtigt. Nach dem Aus in der Champions League am Dienstag bei Real Madrid stand er im Ligaspiel gegen den FSV Mainz 05 ziemlich alleine da mit seinem Willen, die Dinge so zu regeln, wie er es für wichtig hält. Und sei es mit einem jener Sololäufe, bei denen er auch mal die Mitspieler vergisst. Die meisten anderen Bayern schienen beim 2:2 (1:2) gegen den Abstiegskandidaten allerdings eher vergessen zu haben, was nötig ist im Alltagsdienst in der Bundesliga, um erfolgreich zu sein.

Vielleicht aber war es vor allem so, wie es Thomas Müller formulierte: »Natürlich hängt uns das Spiel von Dienstag noch nach, auch wenn es uns nicht nachhängen sollte. Aber wir sind auch nur Menschen«, sagte der Weltmeister, »es ist schwierig vom Kopf her, so eine Enttäuschung von unter der Woche zu verarbeiten.« Es folgte ein Nachsatz, in dem sich ebenfalls ein kleiner Hinweis an die Kollegen erkennen ließ, auch wenn Müller nachsichtig klang. Er sagte: »Dafür wären wir eigentlich Profis.« Aber Profis sind eben auch Menschen, die im Falle der Münchner gerade mit den realen Nachwirkungen zu kämpfen haben, das größte Saisonziel, den Titelgewinn in der Champions League, verfehlt zu haben. »Wir sind nicht zufrieden, aber wir müssen nach vorne schauen. Mittwoch ist ein ganz wichtiges Spiel für uns«, sagte der Profi im Menschen Müller.

Gemeint war das Pokalhalbfinale gegen Borussia Dortmund, die nächste Partie, in der der Erhalt der verbliebenen Saisonziele zur obersten Bayern-Pflicht wird. Es sei gut, dass es schnell weiter geht, so versuchte es Müller jedenfalls zu sehen, »auch wenn wir körperlich, oder was die Mannschaft betrifft, ein paar Probleme haben«. Gegen den BVB müsse man »alles aus dem Tank bekommen. Und ich denke, wir werden den Kopf schon wieder hoch bekommen.«

Wer den nachdenklichen Müller so reden und den Mainzer Sportdirektor Rouven Schröder einen verdienten »Bigpoint im Abstiegskampf« bejubeln hörte, musste sich an die Worte von Karl-Heinz Rummenigge erinnern, die dieser vor zwei Monaten gedichtet hatte. Vor Carlo Ancelottis 1000. Trainerspiel hatte der Vorstandsvorsitzende frohlockt: »Die Zeit, die jetzt ansteht, in der es anfängt zu grünen und zu blühen - das ist die Ancelotti-Jahreszeit.« Die Bayern beschenkten ihren Trainer danach zu seinem Jubiläum mit einem 8:0 gegen den Hamburger SV. Es war der höchste Saisonsieg.

Zwei Monate später hat sich über den FC Bayern ein Grau gelegt, von dem man noch nicht weiß, ob es prägend wird fürs Saisonfinale, nachdem die große Hoffnung auf den Titelgewinn in Europa vor wenigen Tagen in Madrid verkümmert war wie eine Frühjahrsblüte im späten Nachtfrost. Weil nun gegen Mainz die nächste, wenngleich vergleichsweise kleine Enttäuschung folgte, zieht der FC Bayern unter dem Eindruck in die letzte englische Woche der Saison, auch mit Ancelotti in jene Frühjahrsmüdigkeit oder jenen Frühjahrsblues verfallen zu sein, der die Münchner in den vergangenen drei Jahren unter Pep Guardiola stets erfasst hatte, allerdings jeweils erst nach den Halbfinals der Champions League.

Nun kam das zwischen Real und Dortmund angesetzte Ligaspiel nach dem 1:2 gegen Madrid im Hinspiel, dem 0:0 in der Liga in Leverkusen und der 2:4-Niederlage nach Verlängerung im Rückspiel in Spaniens Hauptstadt wie ein vierter Beleg hintereinander daher, dass der Frühling auch mit dem Italiener eine unerquickliche Jahreszeit sein kann. Stoke Citys Leihspieler Bojan Krkic hatte Mainz mit seinem ersten Tor für seinen neuen Verein in Führung gebracht (3.), Robben ausgeglichen (16.), ehe die Gäste durch Daniel Brosinskis verwandelten Foulelfmeter (40.) mit einem verdienten 2:1-Vorsprung in die Pause gingen. Thiago Alcántara bewahrte die Bayern mit seinem erneuten Ausgleich (73.) immerhin vor der ersten Heimniederlage in der Liga seit März 2016, seit dem 1:2 gegen - genau, Mainz.

Nun klang es beinahe wie eine ungute Vorahnung, als Innenverteidiger Mats Hummels das Pokalspiel gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber als »knallharte Aufgabe« bezeichnete. Der Profi in Hummels beeilte sich aber, Zuversicht zu verbreiten. »Wir sind erfahren genug, dass wir da in einen anderen Modus schalten können«, versicherte er.

Gegen Mainz war das allerdings überhaupt noch nicht gelungen, und die Münchner scheinen wieder im Guardiola-Modus der vergangenen drei Frühjahre angekommen zu sein - und ziemlich weit weg vom Ideal der Ancelotti-Jahreszeit. Vielleicht ist es deshalb ganz gut aus ihrer Sicht, dass Dortmund-Schreck Robben am Mittwoch bestimmt wieder sehr ehrgeizig sein wird. »Wir wissen, wie schön dieses Spiel in Berlin ist. Da müssen wir hin, und dafür müssen wir alles geben«, erinnerte der Niederländer bereits. Zurückkehren sollen gegen den BVB die diesmal angeschlagen fehlenden Innenverteidiger Jérôme Boateng und Javier Martínez, beide trainierten am Sonntag. Auch auf den gegen Mainz mit einer Kapselverletzung im Knie ausgeschiedenen Linksverteidiger David Alaba hoffen die Bayern. Und vor allem auf den Erhalt der verbliebenen Saisonziele.

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