1. FC Union Berlin: Die Probleme der Frauen in der Bundesliga

Die Fußballerinnen aus Köpenick und ihre erste Bundesliga-Hinrunde der Vereinsgeschichte

  • Alexander Ludewig
  • Lesedauer: 4 Min.
Jenny Hipp sicherte mit ihrem im Nachschuss verwandelten Elfmeter den Punktgewinn für Union.
Jenny Hipp sicherte mit ihrem im Nachschuss verwandelten Elfmeter den Punktgewinn für Union.

Tausende Fans sangen von »Liebe«, »Stolz« und ihrem »Verein«, die Fußballerinnen des 1. FC Union feierten derweil auf dem Rasen den Punktgewinn gegen Eintracht Frankfurt. Am Montagabend zeigte sich in der Alten Försterei zum Abschluss der ersten Bundesliga-Hinrunde der Vereinsgeschichte die Entwicklung des Köpenicker Klubs im Fußball der Frauen.

Angekommen ist Union im Oberhaus allemal: Mehr als 7000 Zuschauer wollten bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt das Duell des Tabellenelften aus Berlin gegen den Sechsten aus der Mainmetropole sehen, darunter rund 150 Frankfurter Anhänger. Beide Fanlager protestierten gemeinsam gegen die ungeliebten Montagsspiele. Wer da pünktlich zum Anstoß um 18 Uhr im Stadion sein will, muss seinen Tag gut planen. Für Gästefans liegt dieser Termin in jedem Fall äußerst ungünstig.

Zweiter hinter dem FC Bayern

Die Liebe zum Verein ist in Köpenick jedenfalls so groß, dass der 1. FC Union in der Zuschauertabelle hinter dem FC Bayern München mit einem Schnitt von knapp 7000 Fans bei den Heimspielen auf Platz zwei liegt. Im Konzert der Großen spielt der Verein infrastrukturell ganz offiziell im neuen Jahr mit: Ab dem 1. Januar wird das Trainingszentrum Oberspree dann vom DFB als »Leistungszentrum weiblich« anerkannt. Unions Geschäftsführerin Jennifer Zietz freut sich über einen »wichtigen Schritt in der Entwicklung unserer Nachwuchsarbeit«. Mit dem gerade im Bau befindlichen gemeinsamen Trainingszentrum für die Profiteams der Männer und Frauen taugt der Verein sogar als Vorbild.

Aus sportlicher Sicht war das Spiel gegen Frankfurt ein Spiegelbild für die gesamte Hinrunde der Berlinerinnen. So gut gelaunt wie am Montagabend hatte man sie jedenfalls lange nicht mehr gesehen. Weil mit dem 2:2 erstmals ein Punkt gegen einen der drei großen Vereine im deutschen Fußball der Frauen gewonnen werden konnte. Die vergangenen vier Spielzeiten beendete die Eintracht hinter Bayern München und dem VfL Wolfsburg jeweils auf Platz drei. »Wir haben gegen Frankfurt mitgehalten«, freute sich Jenny Hipp, Unions Torschützin zum zweiten Ausgleich.

Wichtiges Erfolgserlebnis

Andererseits war dieses Unentschieden das lang ersehnte Erfolgserlebnis nach zuletzt vier Niederlagen gegen Bremen, Wolfsburg, Bayern und Hoffenheim und einem ebenso enttäuschenden Remis gegen den Mitaufsteiger Hamburger SV in der Bundesliga sowie dem frustrierenden Aus im DFB-Pokal gegen Carl Zeiss Jena. Auch wenn Trainerin Ailien Poese »nicht unzufrieden« mit der Hinrunde ist, hatten sich alle beim 1. FC Union mehr erhofft als Platz elf, mit zwölf Punkten nach 13 Spielen.

Zur Wahrheit gehören dabei auch die vielen Verletzten. Gegen Frankfurt fehlten Poese sieben Spielerinnen, zumindest Naika Reissner konnte nach zweieinhalb Monaten ihr Comeback geben und für ein paar Minuten Wettkampfpraxis sammeln. Teilweise fehlte ein ganzes Team, was allein schon das Trainieren schwierig gemacht hat. Dem Spiel der Berlinerinnen fehlen beispielsweise die polnische Mittelfeldspielerin Tanja Pawollek und die belgische Stürmerin Hannah Eurlings, die als Stammkräfte eingeplant waren und das Team fußballerisch auf ein neues Niveau heben sollten. Ob der Verein bei den vielen und schweren Verletzungen nur vom Pech verfolgt ist oder sich auch da noch strukturell und in seinen Abläufen der gestiegenen Belastung und den neuen Anforderungen anpassen und verbessern muss, werden die Verantwortlichen selbst am besten wissen.

Unter diesen Voraussetzungen lobte Poese ihre Spielerinnen am Montagabend dann noch mal dafür, wie sie »alle arbeiten, um in der Bundesliga anzukommen«. Auf diesem Weg habe man »gelernt, mit Krisen umzugehen«, betonte Poese. Das kannten in den Jahren des Aufstiegs tatsächlich weder Team und Trainerin noch der Verein und sein Umfeld.

Taktik und System als Problem

Als Ausrede wurden die erschwerten Bedingungen nie genutzt. Und sie taugen auch nicht dafür, um das größte Problem zu beschreiben, das Unions Fußballerinnen auch gegen die Frankfurterinnen immer wieder offenbarten: die Abwehrarbeit. Bei beiden Gegentoren, durch Laura Freigang nach 13 Minuten zum 1:0 und Remina Chiba in der 76. Minute zum 2:1, reichte ein Pass in die Tiefe, um die komplette Verteidigung auszuspielen. Insofern hatten die Berlinerinnen Glück, dass die Eintracht andere klare Chancen vor allem in Halbzeit eins nicht nutzen konnte. Fakt ist: Das Toreschießen wird den Gegnerinnen viel zu leicht gemacht. Wenn die eigene Abwehr dabei immer wieder in Unterzahl gerät, ist das nur teilweise ein Problem fehlender Qualität einzelner Spielerinnen, viel mehr ein taktisches und systembedingtes.

Spielerisch geht Poeses Plan oft auf, allerdings fehlt es in der Offensive dann zu oft an der letzten Konsequenz und Treffsicherheit. Gegen Frankfurt trafen weder Eileen Campbell noch Jenny Hipp vom Elfmeterpunkt, letztere drückte den Ball kurz vor dem Ende aber im Nachschuss zum 2:2 über die Linie. Deshalb konnte Samantha Steuerwald, die in der 71. Minute nach einem Freistoß aus dem Gewühl heraus zum ersten Ausgleich getroffen hatte, nach einer »durchwachsenen Hinrunde« über einen »unfassbar wichtigen Punktgewinn« reden.

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