- Sport
- Ski Alpin
Emma Aicher und Alice Robinson: Neue Heldinnen auf der Piste
Die beiden jungen Skirennläuferinnen setzen mit ihren Siegen in St. Moritz ein starkes Zeichen
Das Ende der Tage im Engadin war ein bisschen schmerzhaft. Emma Aicher geriet im Super-G nach nur ein paar Sekunden auf der Strecke bei einem kleinen Sprung in Rücklage und schied aus. Was außer dem kleinen Schreck bei dem Sturz am Sonntag aber bleibt, ist die zweite Abfahrt in St. Moritz 24 Stunden zuvor – mit dem Sieg der 22 Jahre alten Skirennläuferin vom SV Mahlstetten, ihr dritter im alpinen Weltcup. Aicher sprach in der ihr eigenen unaufgeregten Art davon, »sehr zufrieden mit meiner Fahrt« gewesen zu sein. Dass das ein wenig untertrieben war, zeigte ihr überschwänglicher Jubel beim Blick auf die Zeittafel, nachdem sie im Ziel abgeschwungen hatte.
Alleine ganz oben auf dem Podest zu landen, ist für die junge Aicher im Weltcup natürlich noch etwas Besonderes. Erst recht, wenn links und rechts davon zwei der ganz Großen in der Abfahrt stehen: Lindsey Vonn als Zweite und die Dritte Sofia Goggia, beide Olympiasiegerinnen. Vonn hatte am Tag zuvor bei ihrem 83. Weltcupsieg im Alter von 41 Jahren Geschichte geschrieben, Goggia möchte das im kommenden Februar mit einem weiteren Olympiasieg in ihrer Heimat Italien.
Duell der Generationen
In St. Moritz wurde am Wochenende vom Duell Alt gegen Jung oder Etabliert gegen Aufstrebend gesprochen. Gewonnen haben am Ende die Jüngeren – auch dank des Sieges der Neuseeländerin Alice Robinson am Sonntag im Super-G. Mit 24 Jahren gehört sie wie Aicher zu jenen Athletinnen, die in den kommenden Jahren den Weltcup dominieren könnten – und die der alpine Skirennsport so dringend braucht.
Die Generation Ü30 mit ihren Ausnahmeathletinnen und Gesichtern des Sports ist bald Geschichte. Ob die verletzten Federica Brignone aus Italien und Lara Gut-Behrami aus der Schweiz noch einmal zurückkommen, ist sehr fraglich. Die 33 Jahre alte Goggia mag von Vonn inspiriert sein und noch ein paar Jahre dranhängen, aber mit 41, sagte sie zuletzt, werde sie nur noch als Touristin auf der Piste zu finden sein. Und Vonn hat angekündigt, dass nach Olympia Schluss ist. Gesucht werden also neue Heldinnen, neben Mikaela Shiffrin, die auch schon 30 ist und wohl schon bald ihren Fokus verändern wird, weg von der Rekordjagd nach Titel und Trophäen, hin zur Familienplanung mit ihrem Verlobten, dem norwegischen Speed-Spezialisten Aleksander Aamodt Kilde.
In der Abfahrt setzt Vonn noch die Maßstäbe, aber Aicher ist schon jetzt in der Lage, darauf zu reagieren. Beim ersten Weltcup in St. Moritz am Freitag hatte sie auf ihr Skigefühl vertraut und war Fünfte geworden, die US-Amerikanerin hatte dagegen auf eine aggressive Linie am Limit gesetzt und damit die gesamte Konkurrenz düpiert. Bei ihrem Sieg im zweiten Rennen, habe sie ein paar Dinge korrigiert, analysierte Aicher dann recht gelassen.
Stärken und Schwächen
Der deutsche Cheftrainer Andreas Puelacher hatte seiner Athletin bei der Analyse am Freitagabend mit auf den Weg gegeben, »etwas zu ändern, wenn du nach ganz vorne willst«. Sie sei zu brav gefahren, stellte der Österreicher fest. Seine Ansage deshalb vor dem Rennen: »Wir fahren frecher.« Zu wissen, wie es besser geht, ist das eine. Das andere, es dann auch umzusetzen. Aicher habe das »tiptop gemacht«, lobte Puelacher später. Überrascht war er nicht. »Ich kenne ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen«. Dazu gehört ihr Ausfall am Sonntag, den sie selbst als »dumm« bezeichnete. Die Stärke von Aicher ist, dass sie sich schnell umstellen kann. In der Vorbereitung hat sie kaum die schnellen Disziplinen trainiert hat: eine Woche im September in Chile und eine in Copper Mountain im November. Die Erklärung, wie das trotzdem so gut funktionieren kann, ist für Aicher ganz einfach: »Ich habe einfach Spaß am Skifahren.«
Spätestens mit ihrem dritten Platz beim Slalom von Levi Mitte November hat Aicher die deutschen Hoffnungen geschürt, wieder einmal den Gesamtweltcup zu gewinnen. Auch sie selbst formuliert den Gewinn der großen Kristallkugel als Ziel, vielleicht nicht in dieser Saison, aber irgendwann in ihrer Karriere. Tatsächlich kann sie schon in diesem Winter mitmischen. Aber angesichts der Dominanz von Mikaela Shiffrin im Slalom und der Klasse von Robinson in gleich zwei Disziplinen muss sie dazu wohl in drei Disziplinen auf dem Podest landen. Und Ausfälle wie am Sonntag vermeiden.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.