Aufräumen in Forsmark

Vattenfall-Konzern kündigt neue Sicherheitsmaßnahmen für Atomkraftwerke an

  • Bernd Parusel, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Nachdem der Direktor des schwedischen Atomkraftwerks Forsmark zurückgetreten ist, kündigte die Kraftwerksleitung neue Maßnahmen für eine verbesserte Sicherheit an. Doch Wirtschaftsministerin Maud Olofsson vermisst ein »drittes Standbein« bei der schwedischen Stromerzeugung.
Dem Energieriesen Vattenfall machen die Probleme in Forsmark zunehmend zu schaffen. Die Reaktoren 1 und 2, die vor einer Woche wegen beschädigter Dichtungen am Reaktortank zum dritten Mal seit letztem Sommer abgeschaltet wurden, kosten den Konzern täglich zwischen 400 000 und 500 000 Euro. Wann sie wieder ans Netz gehen können, ist unsicher. Um den Ausfall der Stromproduktion in Forsmark zu kompensieren, nahm das Unternehmen am Donnerstag zwei Ölkraftwerke in Betrieb, die normalerweise stillstehen. Jedoch nicht nur die Finanzen des Staatskonzerns haben gelitten. Seit das schwedische Fernsehen letzte Woche einen Vattenfall-internen Bericht enthüllte, in dem von einem »Verfall der Sicherheitskultur« die Rede ist, fordern Politiker Konsequenzen. Die Sprecherin der Grünen, Maria Wetterstrand, verlangte eine internationale Untersuchung der Sicherheitslage in allen schwedischen Kraftwerken. Wirtschaftsministerin Maud Olofsson (Zentrumspartei) bekam am Dienstag Besuch von EU-Energiekommissar Andris Piebalgs, der sich auch nach den Zuständen in Forsmark erkundigte. Am Donnerstag versuchte Vattenfall, dem 66 Prozent von Forsmark gehören, dann einen Befreiungsschlag. Kraftwerksdirektor Lars Fagerberg trat mit sofortiger Wirkung zurück. »Angesichts der Ereignisse der letzten Zeit« sei er zu der Auffassung gekommen, dass er »nicht mehr das volle Vertrauen des Vorstands« habe, hieß es. Außerdem beteuerte Vattenfall, die Sicherheit des Reaktors werde »umgehend verstärkt«. So soll ein neuer »Sicherheitsausschuss« eingerichtet werden, und ein unabhängiger, international anerkannter Experte soll Vorschläge erarbeiten, wie die Kraftwerksleitung für bessere Kontrolle und Kommunikation sorgen kann. Vattenfall-Konzernchef Lars G. Josefsson bezeichnete die Beinahe-Katastrophe in Forsmark vom 25. Juli 2006 bei einer Pressekonferenz als »sehr ernsten Zwischenfall«. Maßnahmen, die Probleme anschließend zu lösen, seien nicht schnell genug erfolgt. Josefsson unterstrich jedoch, er halte den Kraftwerksbetrieb in Forsmark für sicher. Die Mängel bestünden darin, dass vorgesehene Routinen nicht befolgt worden seien. Ob die Missstände aber allein auf die Belegschaft und Betriebsroutinen abgewälzt werden können, ist fraglich. Aus dem vom Fernsehen enthüllten Bericht geht hervor, dass die Sicherheitsmängel vor allem darauf zurückzuführen sind, dass die Kraftwerksführung auf eine rasche Steigerung der Stromproduktion setzte und dass dafür »erhöhte Risiken« in Kauf genommen wurden. Dafür dürfte auch der Mutterkonzern verantwortlich sein. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kraftwerksleitung offenbar von den Mängeln gewusst hat, die zu dem Zwischenfall am 25. Juli 2006 geführt hatten. Der Zeitung Uppsala Nya Tidning zufolge hatte WANO, eine gemeinsame Sicherheitsorganisation von AKW-Betreibern, bereits 2005 auf Missstände hingewiesen, die sich im Nachhinein als Mitursachen der Panne erwiesen. Wirtschaftsministerin Maud Olofsson sagte gestern nach einem Treffen mit der Vattenfall-Führung, sie halte die vom Konzern angekündigten neuen Sicherheitsmaßnahmen für »kraftvoll«. Sie habe das Unternehmen jedoch aufgefordert, regelmäßig über deren Umsetzung Bericht zu erstatten. »Wir wollen sichergehen, dass wir auch in Zukunft Kernkraft und eine sichere Stromversorgung in Schweden haben können«, sagte Olofsson. Schweden benötige neben der Wasser- und der Atomkraft jedoch ein »drittes Standbein«. Für die beiden deutschen AKW des Konzerns, Brunsbüttel und Krümmel bei Hamburg, ergeben sich aus Vattenfall-Sicht übrigens keine Konsequenzen.
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