Wenn der Lohn zu spät kommt

Urteile im Überblick

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Auf ein dementsprechendes Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln (Az. 12 Sa 524/16) verweist der Deutsche Anwaltverein. In dem verhandelten Fall kam es zwischen einem Leiharbeitnehmer und seinem Arbeitgeber zum Streit über die Branchenzuschläge in der chemischen Industrie.

In der ersten Instanz hatte das Arbeitsgericht Aachen dem Mann die Pauschale verwehrt. Vor dem Landesarbeitsgericht Köln bekam er schließlich Recht, so dass ihm eine Pauschale in Höhe von 40 Euro zusteht. dpa/nd

Lehrer stürzt beim Schulausflug und ist querschnittsgelähmt

Stürzt ein Lehrer während eines Schulausflugs und verletzt sich dabei schwer, so handelt es sich um einen Arbeitsunfall, auch wenn sich der Unfall nicht durch Einwirkung von außen ereignet.

Das geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Az. 23 K 308/15) hervor, wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (D-AH) berichtet.

Im besagten Fall hatten sich die Lehrer einer Schule in einem Botel, einem Hotelschiff, einquartiert. Einem Lehrer wurde am Morgen schlecht und er ging deswegen an Deck um frische Luft zu schnappen. Dort kippte er um und musste sich von seinen Kollegen wieder auf die Beine helfen lassen. Als er daraufhin unter Deck gehen wollte, wurde ihm erneut schwindelig. Er stürzte die enge Kajütentreppe hinunter und brach sich zwei Halswirbel. Der Lehrer ist seitdem querschnittsgelähmt.

Doch das zuständige Amt weigerte sich, den Unfall als Arbeitsunfall anzusehen. Der Sturz habe sich nicht in Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs ereignet. Außerdem beruhe der Sturz nicht auf äußeren Einwirkungen, sondern habe innere körperliche Gründe gehabt. Das sei bei einem Arbeitsunfall entscheidend. Gegen diese Auffassung wehrte sich der Beamte vor Gericht.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf urteilte: Auch bei einem Betriebsausflug handele es sich um eine dienstliche Angelegenheit, denn die Schulleitung bestimmte den Aufenthaltsort und das Ausflugsziel. »Der Aufenthalt auf dem Schiff war also eine dienstliche Verpflichtung und da ist der Gang an Deck oder in die Kajüte unvermeidlich«, ergänzt dazu Rechtsanwalt Frank Böckhaus von der telefonischen Rechtsberatung. Daher sei der Sturz sehr wohl als Arbeitsunfall zu werten, so das Gericht.

Auch an der äußeren Einwirkung mangele es hier nicht. Denn diese bedürfe nicht zwangsläufig physischer Gewalt, sondern könne auch vom Körper selbst kommen. So sei beispielsweise ein Herzinfarkt während des Sportunterrichts auch als Arbeitsunfall anzusehen, so das Gericht. D-AH/nd

Sexualstraftäter darf nach Haftstrafe nicht gekündigt werden

Ein wegen Kindesmissbrauchs verurteilter Straftäter muss nach einer Haftstrafe von seinem Arbeitgeber vor Anfeindungen durch Kollegen geschützt werden. Drohen Arbeitnehmer wegen der Beschäftigung des Mannes mit Arbeitsniederlegungen, darf der Arbeitgeber ihm dennoch nicht kündigen.

Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 28. März 2017 (Az. 2 AZR 431/15). Erst wenn sämtliche Mittel zur Eindämmung des Streits unter den Kollegen ausgeschöpft sind, kann eine sogenannte Druckkündigung zulässig sein.

Konkret ging es um einen Hafenarbeiter, der wegen des sexuellen Missbrauchs seiner Stieftochter zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Als er nach Verbüßung eines Teils der Strafe als Freigänger an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wollte, wollten dies seine Kollegen nicht akzeptieren. Erhebliche Teile der Belegschaft drohten mit Streik, falls der Mann nicht entlassen werde. Auch Beschäftigte von anderen Unternehmen, die am Bremerhavener Containerterminal tätig waren, wollten die Arbeit niederlegen.

Der Arbeitgeber hatte zuvor zweimal ohne Erfolg versucht, dem Mann zu kündigen. Mit der dritten Kündigung berief er sich nun auf den Druck der Mitarbeiter. Ihm drohten erhebliche wirtschaftliche Nachteile, wenn die Beschäftigten ihre Arbeit niederlegen, argumentierte er. Er sprach daher eine Druckkündigung aus.

Das Landesarbeitsgericht Bremen erklärte die Kündigung für wirksam. Dem widersprach nun das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Für eine »echte Druckkündigung« bestünden sehr hohe Anforderungen. Üben Mitarbeiter Druck aus, einen Kollegen zu kündigen, müsse der Arbeitgeber alles tun, um die Beschäftigten von ihrem arbeitsrechtswidrigen Handeln abzubringen.

Dazu gehöre, dass der Arbeitgeber bei einer Streikdrohung mit Abmahnung, Entgeltkürzung oder Kündigung droht. Denn der Beschäftigte, um den es geht, habe sich ja keiner Verletzung seines Arbeitsvertrags schuldig gemacht, so das BAG. Der Arbeitgeber müsse sich daher schützend vor ihn stellen.

Der Arbeitgeber habe den Mitarbeitern nicht die Rechtswidrigkeit ihrer Drohung und die möglichen Konsequenzen aufgezeigt. Auch habe er nicht ausreichend dargelegt, inwiefern er wirtschaftliche Schäden zu erleiden habe. Auch wenn Mitarbeiter von Drittunternehmen ebenfalls mit Streik gedroht haben, hätte der Arbeitgeber auf deren Vorgesetzte Einfluss nehmen können. Da dies alles unterblieben sei, sei die Kündigung des Mannes unwirksam. D-AH/nd

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