Xavier Streisand

Naidoo und die Presse

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Den Popstar Xavier Naidoo muss man nicht verteidigen. Das übernehmen schon genug andere Leute - vom relativ intelligenten musikalischen Weggefährten bis zum rechten Facebook-Analphabeten. Außerdem ist der umstrittene neue Song »Marionetten« inhaltlicher und ästhetischer Schrott. Interessant sind im Zusammenhang mit dem grotesk aufgeblasenen »Konflikt«, der gerade in einem »Krisentreffen« von Naidoo mit Politikern gipfelte, aber zwei Dinge: zum einen die Motivation des krude christlich-exhibitionistischen Künstlers, sich immer wieder ohne Not und sehenden Auges in den Shitstorm zu werfen. Zum anderen die Heuchelei einiger seiner nun überschäumenden Kritiker.

Nebenbei kann man noch einen perfekten Streisand-Effekt feststellen: Auch Menschen, die nie in die »Gefahr« geraten wären, dem schlichten Text von »Marionetten« ausgesetzt zu werden, bekommen das Werk seit Tagen in allen großen Medien um die Ohren gehauen, vorgebetet, verteufelt oder spitzfindig analysiert. Naidoo bekommt - so wie schon Trump und Petry - den ganz großen Medienbahnhof seiner angeblichen Gegner (und nun auch noch im »nd«...). Überraschung: Sein Album steht nach so viel Schützenhilfe durch seine »Kritiker« in den Charts auf Platz sieben.

Das neue Lied wurde allerorten ausgiebig als »mindestens rechtspopulistisch« (dpa) beschimpft, während Naidoo sich stur gegen diese Zuschreibung wehrt: »Dass ich weder rassistisch noch rechtspopulistisch bin, bedarf für mich eigentlich keiner (erneuten) Erwähnung«, schreibt er aktuell auf Facebook. Und tatsächlich ist das von Naidoo gezeichnete billige Klischee von Politikern, die von Finsterlingen instrumentalisiert werden, doch (auch) ein linkes. Ganz ins Abseits stellt sich Naidoo jedoch spätestens mit dem Verweis auf »Pizzagate«, eine Räuberpistole um einen angeblichen Eliten-Kinderporno-Ring, von der sich sogar Mit-Erfinder Alex Jones (»Infowars«) distanziert hat.

Trotzdem: Ein Land, zu dessen erfolgreichsten Pop-Acts die Böhsen Onkelz oder Bushido gehören, sollte den Blödsinn eines Naidoo locker aushalten - so denkt man. Die (wiederholte) groteske Hysterie um ihn nährt darum den Verdacht, dass es weniger Naidoos angeblicher Rassismus ist, der so erregt, als seine krude Systemkritik - auch wenn die rein antistaatlich also neoliberal ist.

Eine Sache hat die Naidoo-Medien-Farce aber deutlich gemacht: Wir leben in Zeiten, in denen Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz von einer Popgruppe Aufklärung über »antistaatliche Aussagen« fordern kann - und keiner bricht in Gelächter aus, sondern jene Band versucht dann tatsächlich brav, dem Provinzpolitiker ihre Texte zu vermitteln.

Der Fall zeigt auch: Billige Hetze gegen »die Politiker« wie sie Naidoo in »Marionetten« praktiziert, ist für das Ausland reserviert. Im Falle des Putsches in der Ukraine oder aktuell in Venezuela nutzten und nutzen die großen deutschen Medien genau jene militante, antidemokratische Rhetorik, die sie nun Naidoo vorwerfen.

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