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Rückkehrer sind willkommen

Laut der syrischen Regierung dürfen Rebellen und ihre Familien in die staatlich kontrollierten Gebiete zurück

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit dem Wochenende ziehen Kämpfer aus dem Damaszener Vorort Barzeh ab, die ihre Waffen nicht niederlegen wollen. Ihr Ziel ist ein Gebiet im Norden Syriens, das unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen steht. Einige Familienangehörige begleiten sie, der Transport wird mit Bussen organisiert. Doch andere Kämpfer geben ihre Waffen ab und werden in ein staatliches Amnestieprogramm aufgenommen. So konnte auch in anderen Vororten von Damaskus, wie in Daraya oder Moadamiya ein Ende der Gewalt erreicht werden. Die Amnestierten und ihre Familien hoffen, ihr früheres Leben wieder aufnehmen zu können. Einige von ihnen werden vorübergehend in dem Ort Herjalla (Damaskus) untergebracht, wo 1500 Wohneinheiten in Form von Bungalows gebaut wurden. Hier leben die Familien, bis die Unterlagen der Männer geklärt sind, um dann ihr eigenes Leben wieder zu organisieren.

Eine seit Ende 2015 verhandelte und immer wieder blockierte Vereinbarung wird seit Mitte März auch in der Satellitenstadt Al Waer (Homs) umgesetzt. Etwa einmal pro Woche bringen Busse die Kämpfer, die ihre Waffen nicht abgeben wollen, in die nordsyrische Stadt Jarabulus an der Grenze zur Türkei. Der Ort wird von türkischen Truppen und mit der Türkei verbündeten Rebellengruppen kontrolliert, wo die Kämpfer sich offenbar sicher fühlen. Mit ihnen reisen ihre Familien ab, Frauen, Kinder und alte Leute, die mit Sorge und Skepsis in die Zukunft sehen. Gesichert wird der Abzug von syrischer und russischer Militärpolizei. Der Syrisch Arabische Rote Halbmond (SARC) betreut und hilft den Abreisenden. Die Mitglieder des Homser Versöhnungskomitees sorgen dafür, dass alle Punkte der Vereinbarung eingehalten werden.

Man habe ihnen gesagt, dass die Familie in einem Zeltlager in Jarabulus wohnen werde, sagte eine Frau der Autorin, während sie mit Mann, Kindern und Nachbarn auf dem Bürgersteig sitzend auf die Abfahrt des Busses wartete. Ihre Söhne hätten sich den Kämpfern angeschlossen, meinte ihr Mann. Sie hätten nichts tun können und nun keine andere Wahl, als diesen zu folgen. Sie hoffe, eines Tages wieder nach Al Waer zurückkehren zu können, fügte die Frau leise hinzu. Schließlich sei es ihr Zuhause. Das Gespräch wurde unterbrochen, als einer der Kämpfer gegen das Gespräch protestierte. Es sei Teil der Vereinbarung, dass Journalisten nicht mit den Kämpfern und deren Angehörigen sprechen dürften.

Der Gouverneur von Homs, Talal Barazi, ist bei jeder Abreise vor Ort. Wie die anderen Mitglieder des Versöhnungskomitees steigt auch er in die Busse, um die Kämpfer aufzufordern, die Waffen niederzulegen und mit ihren Familien zu bleiben. Wer zurückkehren wolle, sei willkommen, fügte Barazi im Gespräch mit der Autorin hinzu: »Sie gehören zu uns.«

Tatsächlich kehrten am vergangenen Wochenende die ersten Familien aus Jarabulus zurück nach Al Waer. Das Leben in den Lagern in Jarabulus sei unerträglich gewesen, sagten sie. Talal Barazi zeigte sich erfreut und bekräftigte, alles zu tun, um das Leben der Rückkehrer zu verbessern. Die Kinder wurden schon am nächsten Tag wieder in die Schule geschickt.

Im Gespräch mit ehemaligen Kämpfern der »Freien Syrischen Armee« und Angehörigen des Versöhnungskomitees in Qudsaiya (bei Damaskus) erfuhr die Autorin, wie dort alles angefangen hatte. »Wir dachten, wir würden die Regierung in zwei Wochen stürzen«, sagte einer der Männer. Das habe »wie eine Mode« um sich gegriffen. Mit dem Auftauchen islamistischer Gruppen, die viel Geld an die Kämpfer verteilten, sei alles aus dem Ruder gelaufen. Schließlich habe es eine große Demonstration gegen die Dschihadisten gegeben. Dann endlich seien sie abgezogen.

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