Hoffnungsvolle Signale für Pädagogen und Wissenschaftler

Auf ihrem Gewerkschaftstag sagte die GEW prekären Beschäftigungsverhältnissen im Bildungsbereich den Kampf an

  • Dirk Farke
  • Lesedauer: 3 Min.

»Bildung. Weiter denken!« lautete das Motto des 28. Gewerkschaftstages der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der vom 6. bis 10. Mai in Freiburg stattfand. 432 Delegierte diskutierten und entschieden über Positionen und Ziele der GEW zu bildungs- und tarifpolitischen Themen.

Der Gewerkschaftstag ist das höchste Beschlussgremium der GEW und bestimmt die Ziele der Arbeit für die kommenden vier Jahre. Leider war die Wahl des geschäftsführenden Vorstandes entgegen allen Prognosen am Dienstagmittag immer noch nicht beendet, sodass für unabdingbare Forderungen zur politischen Agenda viel weniger Zeit verblieb, als ursprünglich vorgesehen war. Und dennoch, die hier gefassten Beschlüsse der Delegierten postulieren nichts weniger als einen Paradigmenwechsel in den wichtigsten gesellschaftspolitischen Bereichen, vor allem in der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Bildungspolitik.

Eine zentrale Aufgabe in der Bildungspolitik ist und bleibt nach Auffassung der Delegierten die Inklusion. Gemäß der im Jahr 2009 verabschiedeten UN-Behindertenrechtskonvention haben Eltern behinderter Kinder in Deutschland das Recht und nach Ansicht vieler Interpreten der Konvention auch die Pflicht, eine Beschulung ihrer Kinder an einer Regelschule durchzusetzen. »Weg von den Defiziten der anderen, hin zu den Defiziten im Bildungssystem«, fordern die GEW-Delegierten in ihrem Beschluss. Weiter heißt es dort, aktuell fehle es an Geld und Zeit, an pädagogischem Personal und multiprofessionellen Teams. Für alle Menschen müssten - unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft, von Geschlecht, Behinderung, aufenthaltsrechtlichem Status und anderen sozialen und persönlichen Voraussetzungen - eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildung sowie Chancen für den größtmöglichen Bildungserfolg gewährleistet werden.

In Zeiten von Ausgrenzung und jahrzehntelanger neoliberaler Wirtschaftsdominanz positioniert sich die GEW aktiv gegen rechts. Eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der GEW und der AfD stünden sich diametral entgegen und seien deshalb ausgeschlossen, lautet ein wichtiger Beschluss, eingebracht vom Bundesausschuss der Studentinnen und Studenten. Ein wichtiges Signal geht ferner aus von der Aufforderung, anlässlich des 45. Jahrestages des Radikalenerlasses eine zweite bundesweite Berufsverbote-Konferenz mit begleitender Pressekonferenz durchzuführen, um dieses weiterhin aktuelle politische Thema aufzugreifen. Das Ziel bleibt für die GEW, eine Beendigung der kollektiven Verfolgung demokratischer Kräfte durchzusetzen und die Rehabilitierung der Betroffenen zu erreichen.

Ein zunehmendes Problem auch für die GEW sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Mittlerweile verfügen im Bildungssystem rund 30 Prozent der Beschäftigten über keinen unbefristeten Arbeitsvertrag mehr. Zahlen, wie man sie sonst nur aus dem Niedriglohnbereich für gering Qualifizierte kennt. Doch zunehmend greifen sie auf den gesamten Bildungssektor über: Minijobs in Kitas, befristete Lehrtätigkeit mit geringem Verdienst in der Familienbildung oder an den Hochschulen und schlecht bezahlte Zeitverträge an Volkshochschulen, die leider auch an den Regelschulen immer mehr zur Regel werden.

Genau in diese Kerbe schlug auch Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei die LINKE, in seinem Gastrednerbeitrag. Längst hätte mehr Geld in die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern gesteckt werden müssen, sagte er. Stattdessen plane die noch amtierende Bundesregierung, die Rüstungsausgaben weiter zu erhöhen. »Der gesellschaftliche Reichtum muss endlich ordentlich umverteilt werden«, so Riexingers Forderung.

Es dürfte viel Wasser die Dreisam herabgelaufen seien, seit ein amtierendes Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf einem GEW-Gewerkschaftstag zuletzt soviel Beifall erhalten hat. Die als GEW-Vorsitzende wiedergewählte Marlis Tepe bemerkte im Anschluss: »Ich hätte an dieser Stelle dasselbe sagen können. Wir haben viele gemeinsame bildungspolitische Forderungen, wir haben nur noch nicht die entsprechende Wählermehrheit.«

Die GEW kann und muss nun den langsam Fahrt aufnehmenden Bundestagswahlkampf dazu nutzen, um durch verschiedene Maßnahmen und Aktionen Druck auf die Politik auszuüben. Die amtierende Große Koalition und die gelb-schwarze Vorgängerregierung haben die Bildung in die Bredouille gebracht. Bleibt zu wünschen, dass sich die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen für die dringendsten bildungspolitischen Maßnahmen mit der kommenden Regierung endlich wieder ändern werden.

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