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Recht auf Daumenschraube

Uwe Kalbe über die Kürzung der Sozialhilfe zur Abschiebebeschleunigung

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 1 Min.

Es scheint eine untergeordnete Frage, ob ein Migrant, den die Behörden zur Ausreise verpflichteten, ein Recht auf Sozialhilfe hat. Nicht wenige Menschen dürften auch in der Entscheidung kein Problem sehen, die Kürzung von Sozialhilfe als Druckmittel einzusetzen. Doch sie ist ein Problem. Das Bundessozialgericht billigt damit die Kürzung von Sozialhilfe bis zur gänzlichen Streichung. Sie sei ja an das Verhalten des Flüchtlings geknüpft, das dieser jederzeit ändern könne. Das ist die Logik, die auch schon galt, als Geständnisse noch im Folterkeller herbeigeführt wurden.

Was die Behörden von dem Mann verlangen, ist die Mitwirkung an seiner Abschiebung. Dies zu verweigern, ist ein nachvollziehbarer Reflex. Eine menschliche Regung, auch wenn eine unerlaubte, weil das Gesetz von dem Betroffenen anderes verlangt. Doch auf den individuellen Rechtsverstoß antwortet das Bundessozialgericht mit einem Systembruch. Es erklärt einen Behördenreflex zur unbedenklichen Regel - Bestrafung durch Entzug jener Leistung, die der Gesetzgeber als Mindestmaß eines menschenwürdigen Existenzminimums bestimmt hat. Sozialhilfe steht in keiner kausalen Beziehung zu ausländerrechtlichen Erwägungen. Hier geht es um keine Nebenfrage. Sie berührt das Selbstverständnis einer Gesellschaft, die von sich behauptet, die Krönung der bisherigen sozialen Schöpfung zu sein.

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