Seelenbinder zum Gedenken

Bürgerinitiative erbittet Spenden für die Nachbildung einer Tafel am Amtsgericht Köpenick

Ausgerechnet in der Seelenbinderstraße befindet sich die Bundeszentrale der rechtsextremen NPD. Der Sportler Werner Seelenbinder, nach dem die Straße seit 1947 benannt ist, gehörte zu den aktiven Gegnern des Naziregimes und fiel diesem letztendlich zum Opfer. Als Ringer gewann er sechs deutsche Meistertitel im Halbschwergewicht und belegte bei den Olympischen Spielen 1936 den vierten Platz. Als Kommunist leistete er Widerstand, wurde deswegen verhaftet und 1944 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet.

Am Haus mit der Nummer 42 in der Seelenbinderstraße hängt nun nach zwei gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD ein großes trotzig-provozierendes Transparent, auf dem in dicken Lettern geschrieben steht: »Zwei Mal Karlsruhe und zurück. Deutschland lässt sich nicht verbieten. NPD.«

Und dies nur wenige Schritte vom Amtsgericht Köpenick entfernt. Im alten Gerichtsgefängnism das dahinter liegt, quälte die SA Ende Juni 1933 bis zu 500 politisch Missliebige und Juden. Mindestens 23 Menschen starben durch die brutale Folter. Das Ereignis ging als Köpenicker Blutwoche in die Geschichte ein. Die Gedenkstätte im alten Gerichtsgefängnis hat nur sehr eingeschränkte Öffnungszeiten. Das Hoftor ist oft verschlossen, der Zugang zu einem Gedenkstein für Werner Seelenbinder nicht frei.

Früher hing eine in der DDR angebrachte Tafel an der Fassade des durchaus imposanten Gerichtsgebäudes. Der Text lautete: »Dem mutigen Kämpfer gegen Faschismus, Imperialismus und Krieg Werner Seelenbinder zum Gedenken.« Doch 2003 entwendeten Unbekannte diese Tafel. Über ihren Verbleib und über die Täter ist bis heute nichts bekannt.

Nun hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die für eine Nachbildung der Tafel sorgen möchte. Möglichst am Jahrestag von Seelenbinders Hinrichtung, am 24. Oktober, soll sie eingeweiht werden, sagt Sprecher Torsten Postrach. Das Anliegen wird vom Bund der Antifaschisten Treptow unterstützt, von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Köpenick, vom Verein Rabenhaus und vom Bürgerverein Allende-Viertel.

Was würde die Nachbildung kosten? »Wir konnten zwei Firmen zur Abgabe eines Angebots animieren. Die Bildgießerei Seiler aus Schöneiche hat dabei das beste Angebot abgegeben«, sagt Postrach. Für die Wiederherstellung der Tafel anhand eines Fotos und das Anbringen würden demnach 2835,50 Euro erforderlich sein, zuzüglich 500 Euro für das Abspritzen des Mauerwerks und das Einlassen in die Wand, was einen erneuten Diebstahl erschweren würde.

»Zurzeit kämpfen wir um öffentliche Mittel für das Projekt«, sagt Postrach. 600 Euro konnte die Bürgerinitiative schon aus einer Kiezkasse an Land ziehen. Auch Sondermittel der Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick sollen beantragt werden. Die Linksfraktion brachte die Angelegenheit vor den Kulturausschuss.

»Es gibt aber hier bereits die ersten Widerstände«, erzählt Postrach. Aus den Reihen der SPD habe es geheißen, dass eine Gedenktafel für Seelenbinder richtig sei, der alte Text aus DDR-Tagen jedoch nicht mehr zeitgemäß.

Noch sei nichts entschieden, sagt Linksfraktionschef Philipp Wohlfeil. Die Linksfraktion habe sich darauf verständigt, mit einem modernen Text einverstanden zu sein. Doch Postrach befürchtet: »Es könnte sein, dass die Tafel nur aus Spendenmitteln finanziert werden muss.« Um solche Spenden bittet die Bürgerinitiative auch über die Gedenktafel hinaus. Sie möchte sich mit Details der Biografie Seelenbinders beschäftigen und dazu Unterlagen in Archiven sichten. Außerdem will sie herausfinden, welche Einrichtungen wie Schulen und Sportplätze den Ehrennamen des Athleten verliehen bekamen und welche ihn bis heute tragen. »Das kostet ebenfalls Zeit und Geld«, sagt Postrach. »Am Ende sollte eine Ausstellung über Seelenbinder stehen, die wir später an das Heimatmuseum abgeben wollen.«

Spenden an: Gedenktafel Seelenbinder, Berliner Volksbank, IBAN: DE28 1009 0000 2683 1530 04, BIC: BEVODEBB, facebook.com/SeelenbinderKoepenick

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