Kliniken und Kassenärzte wegen Notfallversorgung im Streit

Fragen & Antworten zur Krankenkassenreform

  • Lesedauer: 3 Min.

Die neu eingeführte Abklärungspauschale dient ausschließlich der Abklärung, ob ein Patient im Krankenhaus eingehend untersucht und ambulant behandelt werden muss oder nicht.

Wer macht die Abklärung und wann?

Wenn ein Patient in ein Krankenhaus kommt und angibt, ein Notfall zu sein, muss letztlich ein Arzt abklären, was derjenige hat. Das verlangt das Berufsrecht und sei haftungsrechtlich erforderlich.

Was wird abgeklärt?

Im Grunde wird bei diesem ersten Kontakt zwischen Arzt und Patient abgeklärt, ob es sich tatsächlich um einen Notfall handelt und der Patient weiter im Krankenhaus behandelt werden muss oder ob er wieder weggeschickt werden kann, um sich in eine ambulante Behandlung bei einem niedergelassenen Arzt zu begeben. Das war bisher grundsätzlich schon ohne Honorar so gehandhabt worden.

Was bekommt das Krankenhaus für diese Abklärung?

Wird der Patient nach kurzer Abklärung nach Hause geschickt, weil keine sofortige Maßnahme notwendig ist, oder ein niedergelassener Arzt weiter behandeln kann, bekommt das Krankenhaus 4,74 Euro tagsüber und 8,42 Euro nachts sowie an Feiertagen und Wochenenden. Das sei definitiv unzureichend, so Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Denn offiziell entspreche dies gerade einmal zwei Minuten Zeit für verwaltungsmäßige Erfassung und korrekte medizinische Diagnose. Es entstehe ein immenser Zeitdruck. Dem halten Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), und Johann-Magnus von Stackelberg vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entgegen: Viele medizinische Leistungen werden mit einem gewissen zeitlichen Aufwand kalkuliert. Das sei eine reine Rechengröße, keinesfalls eine zeitliche Begrenzung der Behandlung.

Laufen Patienten, auf deren Rücken der gegenwärtige Streit offenbar ausgetragen wird, nunmehr Gefahr, nicht angemessen behandelt zu werden?

Nein, sagen trotz der unterschiedlichen Positionen alle - DKG, KBV und GKV. Jeder Patient solle weiterhin so ausführlich untersucht werden wie nötig. Sei eine weiterreichende Diagnose erforderlich, könne diese natürlich entsprechend höher abgerechnet werden. Und bei einem »echten« Notfall wie Herzinfarkt oder Blinddarmdurchbruch spiele die Abklärungspauschale überhaupt keine Rolle. Die Abklärung der Behandlungsnotwendigkeit ziele auf Fälle wie beispielsweise die Blase an der Ferse durch neue Schuhe, die am Sonntagmorgen um 2.25 Uhr behandelt werden soll - und die Ärzte im Krankenhaus damit von echten Notfällen abhalte.

Bringt die neue Regelung die sektorenübergreifende Zusammenarbeit weiter?

Nach Ansicht von KBV-Chef Gassen kann die Abklärungspauschale eine Entlastung der Notfallambulanzen bringen. Sie hätten dann mehr Zeit für echte Notfälle. Die Krankenkassen sind zurückhaltender. Aber auch sie hoffen, dass die Leistung Entlastung für die Krankenhäuser bringt. Dagegen sagt DKG-Hauptgeschäftsführer Baum: »Wegschicken hat nichts mit Kooperation zu tun. Wir brauchen eine grundsätzliche Neuordnung der ambulanten Nothilfeleistungen in den Krankenhäusern.« Das müsse der Gesetzgeber in der nächsten Legislaturperiode angehen. Bis dahin fordert die DKG, sofort »die Pauschalen um einen Zuschlag von 10 Euro per Gesetz zu erhöhen«. dpa/nd

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