500 Mausklicks pro Minute

Ist Computerspielen eine Sportart? eSports hat weltweit Millionen Fans, in Deutschland fehlt die Anerkennung

  • Christopher Köster und Florian Krebl, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Universitätsprofessor Ingo Froböse über eSports spricht, tut er das mit einer fast kindlichen Begeisterung. Doch geht es darum, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) das leistungsmäßige Zocken an Computer und Konsole nicht als Sport anerkennt, wird der 60-Jährige wütend. »Vom DOSB ist es ein armseliges Argument, dass es keine Strukturen gibt. Diese Position ist nicht mehr lange haltbar«, sagte Froböse.

Der Dozent beschäftigt sich seit einigen Jahren mit eSports. Er hat durch Studien bewiesen, welche körperlichen Anforderungen die Spieler erfüllen müssen. Der DOSB jedoch sperrt sich gegen eine Aufnahme des noch sehr jungen eSport Verbandes Deutschland (eSVD) und verweist dabei auf seine Kriterien.

Ein Verband muss in mindestens acht Bundesländern organisiert sein, mehr als 10 000 Mitglieder haben und aufgrund der »Förderung des gemeinnützigen Zweckes Sport steuerbegünstigt« sein, um in den DOSB aufgenommen zu werden. »Der klassische Sport ist OpenSource. Die Spiele im eSports gehören Firmen«, schrieb der DOSB kürzlich in einer hitzigen Diskussion mit Usern auf Twitter. Der eSVD, der erst seit Juni 2016 besteht, nimmt derzeit noch keine Mitglieder auf, erfüllt die DOSB-Kriterien also bei Weitem nicht.

Das Argument, dass die grobmotorischen Anforderungen nicht unbedingt an Sport erinnern, lässt Froböse allerdings nicht gelten und verweist in dem Zusammenhang auf Bogenschießen oder Schach. »Außerdem: Die Herzfrequenz ist wie bei einem Marathonlauf, die Stresshormone gehen hoch wie bei einem Formel-1-Rennen«, so der Experte: »Und dazu kommen diverse taktische und emotionale Elemente.« Zudem scannen die Augen eines Profis in irrwitziger Geschwindigkeit den gesamten Bildschirm, die Finger klicken auf der Maus bis zu 500 Mal pro Minute.

Auch die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) sieht eSports »auf höchstem Niveau mit dem Leistungssport aus den klassischen Sportarten vergleichbar«. Die NADA arbeitet bei Großevents mit der eSport-Plattform ESL zusammen.

Das Asiatische Olympische Komitee (OCA) gab im April sogar bekannt, dass eSports bei den Asienspielen 2022 im chinesischen Hangzhou als offizielle Sportart dabei sein wird - ein Meilenstein in der Entwicklung. Das OCA begründete dies mit der »rasanten Entwicklung und Popularität dieser neuen Form der Sportbeteiligung«. Und hierzulande? »Sind wir eine gallische Einöde«, sagt Froböse.

Das Kölner Unternehmen ESL, das Ligen und Turniere organisiert, verweist auf die breite Basis des eSports, die sich gemeinnützig organisieren kann. »eSports ist förderungswürdig, es verbindet global alle Völker, alle Ethnien, alle Rassen miteinander. Das ist klar schützenswert«, sagte ESL-Manager Christopher Flato.

Eine weitere Hürde in einem möglichen Aufnahmeprozess ist das schlechte Image der sogenannten Ballerspiele, wie beispielweise der Ego-Shooter Counter-Strike (CS) oder die Kriegssimulation Battlefield. Flato aber betont das »kompetative Element« der Spiele und behauptet, dass »niemand, der CS spielt, auch im realen Leben gerne mit Waffen hantiert«. Außerdem merkt er an, dass auch Fechten das Töten des Gegners simuliere.

Ob diese Argumente den DOSB oder die Politik überzeugen, bleibt abzuwarten. Möglich ist eine Unterteilung der eSports-Szene in Disziplinen wie etwa in der Leichtathletik. Dann könnten einzelne Titel oder Spielmodi als Disziplin zugelassen werden. Noch ist die Branche aber weiterhin auf sich selbst gestellt. SID/nd

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