Schnellstarter mit Angriffslust

Wachwechsel bei Sachsen-Anhalts LINKER: Altmärker Andreas Höppner will Chef werden

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Es kommt nur äußerst selten vor, dass sich Andreas Höppner ein klares Wort verkneift. Der Schweizer Backwarenhersteller Aryzta musste ihn dafür sogar vor Gericht zerren. Er hatte in der Altmark seine Tochter Fricopan geschlossen, zuvor aber ein Werk in Eisleben mit Hilfe des Landes Sachsen-Anhalt ausgebaut. Höppner, der Gewerkschafter ist und Betriebsrat bei Fricopan war, warf dem Konzern daher Betrug mit Fördermitteln vor. Seit der Gerichtsverhandlung sagt er das nicht mehr direkt - erklärt aber schlitzohrig, dass Staatsanwälte wegen eben dieses Verdachts ermitteln.

Höppner spitzt gern zu und attestiert sich eine »gewisse Angriffslust«. Das könnte ab sofort auch dem Landesverband der LINKEN in Sachsen-Anhalt nutzen. Auf einem Parteitag in Halle bewirbt sich der 49-Jährige Altmärker an diesem Samstag als neuer Vorsitzender. Stimmen die Delegierten zu, würde er die Hallenserin Birke Bull ablösen, die das Amt seit 2012 inne hatte. Die frühere Lehrerin bezeichnet ihren designierten Nachfolger als eine Art Gegenentwurf: Er sei »nicht so verkopft wie ich«.

Zudem ist er ein Schnellstarter in der Partei. Höppner, der bis 1989 kurze Zeit SED-Mitglied war, trat erst 2008 in die LINKE ein, weil seine Leib- und Magenthemen als Gewerkschafter in der »alten« PDS unterbelichtet gewesen seien, wie er sagt. Schon ein Jahr später gehörte er zum Landesvorstand, zuletzt als einer der Stellvertreter Bulls. Diese macht kein Hehl daraus, dass der Stabwechsel eigentlich noch nicht jetzt geplant war. Als sie bei ihrer Bewerbung für den Bundestag - die nur rund ein Jahr nach ihrer erneuten Wahl in den Landtag erfolgte - aber von der Basis nur mit 58 Prozent als Direktkandidatin aufgestellt wurde, habe sie sich gefragt, »ob ich noch ausreichend politisches Gewicht habe«. Ihre Antwort: Sie verzichtete auf eine erneute Kandidatur.

Der Neue findet einen Landesverband vor, den er bei seiner Vorstellungsrunde an der Basis als »sehr stabil« wahrgenommen hat - und das, obwohl er vor wenig mehr als einem Jahr eine herbe Niederlage erlitt. Bei der Landtagswahl verpasste die LINKE nicht nur den erhofften Wechsel in die Regierung, sondern verlor auch die Führungsrolle in der Opposition an die AfD. Der Absturz »hat uns sehr zu schaffen gemacht«, sagt Bull, die aber überzeugt ist, dass ausreichend über Gründe und Ursachen diskutiert worden sei. Zumindest die Mehrzahl der Kreisverbände habe »zur Politik zurückgefunden«. Die übrigen dürfte der neue Chef dazu anstacheln. Er sei »eher ein Mensch, der gern nach vorn schaut«, sagt Höppner, der als Betriebsrat das Motto kennt: Aufstehen, kurz schütteln, weiterackern.

Zu tun ist genug, wobei der Blick des Neuen über die Bundestagswahl hinausgeht. 2019 stehen in Sachsen-Anhalt Kommunalwahlen an. Höppner, der selbst Ortsbürgermeister in einem Ortsteil von Gardelegen ist, weiß, wie wichtig eine starke Verankerung der Partei in den Kommunen ist: »Wenn wir unten stark sind, sind wir auch oben stark«, sagt er mit Blick auf das Wechselspiel von Kommunal- und Landespolitik. Es gelte daher, bereits jetzt Kandidaten zu werben und den Generationswechsel in den Kommunalparlamenten vorzubereiten.

Zudem will Höppner seine Genossen ermutigen, sich mutiger und offensiver der Auseinandersetzung mit der AfD zu stellen, die mit ihrem krawalligen Stil nicht nur im Landtag die Lufthoheit hat. Man müsse »Themen zuspitzen und Dinge klar benennen«, sagt Höppner - ohne freilich, wie allzu oft die Populisten von Rechts, dabei »unter die Gürtellinie« zu gehen. Die Bürger »müssen uns verstehen«, sagt er - was nicht heißt, dass man sich anbiedern werde. Beim Thema Einwanderungspolitik etwa habe die LINKE in Sachsen-Anhalt weiter eine klare Linie, die auf dem Parteitag in einem eigenen Antrag ausformuliert wird, die Höppner aber schon einmal auf eine knappe Formel bringt: »Offene Grenzen für alle«. Klare Worte zu wählen, heißt eben nicht, dem Volk nach dem Maul zu reden.

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