Kleingärtner mit Zukunftsängsten

Beim Bundeskongress diskutieren Gartenfreunde ihre Rolle für die Stadt

  • Felix Knorr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Stadt von morgen braucht Kleingärten.« So lautet eine zentrale Forderung des Bundeskongresses der Kleingärtner, der am Donnerstag und Freitag am Alexanderplatz tagte. Die Zukunft vieler Kleingartenkolonien ist wegen Zuzug und Wohnungsneubau oft ungewiss - gerade auch in Berlin.

Bis 2025 drohe 3000 Parzellen das Aus durch Wohnungsbau, sagt Günter Landgraf, Präsident des Landesverbands der Gartenfreunde. Allein rund um den S-Bahnhof Plänterwald seien 1000 Parzellen in sieben Anlagen bedroht. »Große Probleme haben wir mit Investoren, die meinen, aufgrund ihres Geldes die Flächen ordentlich bebauen zu können.«

Auch die Kleingartenkolonie »Sorgenfrei« in Marzahn-Hellersdorf ist bedroht: Hier soll die Grundfläche verkauft werden. Wie häufig, wenn es um die Flächen der Kleingärten geht, ist die Deutsche Bahn Eigentümerin des Geländes - und will es verkaufen. Auch hier sollen Wohnungen entstehen. Ein bundesweites Phänomen. Friedrich Pils, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Gartenfreunde (BDG), sagt: »Die Bahn verkauft seit zwei bis drei Jahren verstärkt Grundstücke. Käufer sind die, die am meisten Geld zur Verfügung stellen. Es bleibt nur, dass die Kommunen oder die Länder dem einen Riegel vorschieben.«

Doch nicht allein der Wohnungsbau bedroht die Kleingärten. Eine weitere Gefahr für die Kolonien sind Straßenbauprojekte. Schon 2010 war nach der Kündigung von über 300 Kleingärten im Zuge des Ausbaus der A 100 in Neukölln Protest entflammt. Durch das Bauprojekt drohe weiteren 1 500 Parzellen das Aus, sagt Landgraf.

In Plänterwald haben sich die Pächter der einzelnen Kolonien mittlerweile zu einem »Kleingartenpark« zusammengeschlossen, um gemeinsam für den Erhalt ihrer Gärten zu kämpfen. Die Gartenfreunde Treptow schreiben dazu auf ihrer Homepage: »Dass in der Stadt Wohnungen gebraucht werden und dass die Flächen dafür rar sind, lässt die Kleingärtner nicht zweifeln. Denn je mehr Menschen in der Stadt leben, umso wichtiger ist es, um jedes Fleckchen Grün zu ringen.«

Im selben Sinne äußerten sich die Mitglieder des BDG im Anschluss an den Kongress. »Wie kann man neue Flächen so weiterentwickeln, dass möglichst viele etwas davon haben?«, fragt auch Stefan Grundei, BDG-Geschäftsführer.

Passt die Schreberkultur vielleicht nicht mehr zu den modernen Anforderungen einer urbanen Großstadt? Geht es nach Grundei, so greifen neue Konzepte der modernen Stadtentwicklung wie Urban Gardening nur auf, was mit Kleingärten schon lange praktiziert wird. »Wir sind die nachhaltige und bewährte Form des Urban Gardening. Uns gibt es seit 150 Jahren«, sagt er.

Auch die Nachfrage nach Plätzen gibt den Verfechtern der Gartenkultur recht. Vier bis sechs Jahre Wartezeit müssen Bewerber zum Teil in Kauf nehmen. In vielen Kleingärten gibt es wegen der hohen Nachfrage gar keine Wartelisten mehr, so in der Kleingartenkolonie Potsdamer Güterbahnhof im Gleisdreieck-Park in Schöneberg. Diese hatte sich 2007 erfolgreich gegen eine drohende Schließung zur Wehr gesetzt.

Auch die demografische Entwicklung macht sich bemerkbar: Immer mehr junge Menschen und Familien bewerben sich für einen Garten. Die Bewerberstruktur spiegelt auch andere gesellschaftliche Entwicklungen: »Im Moment haben wir besonders viele ausländische Bürger, die es gewohnt sind, zu gärtnern«, sagt Landgraf. »Wir sind ein Verein, der sich auch um Integration kümmert. Wir haben allein in Berlin 70 verschiedene Nationalitäten.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal