Halbherziger Vorstoß für den Atomausstieg

Am Sonntag dürfen die Schweizer über das reformierte Energiegesetz der Regierung abstimmen

  • Sabine Hunziker
  • Lesedauer: 3 Min.

Können Unfälle wie in Fukushima auch in der Schweiz passieren? Erdbeben und ein Tsunami hatten im März 2011 im japanischen Kernkraftwerk Fukushima zu einer Kernschmelze geführt - massenhaft radioaktives Material wurde freigesetzt. Bilder von der Zerstörung gingen um die Welt.

Die Schweizer AKW in Mühleberg, Beznau 1 und 2 wurden um 1970 herum gebaut und gehören damit zu den ältesten Reaktoren des Landes. Die grüne Partei fordert den Ausstieg aus der Atomenergie bis 2029, ihre Vorlage wurde allerdings verworfen. Der Bundesrat selbst arbeitete jetzt eine Energiestrategie aus, deren erstes Maßnahmepaket am 21. Mai 2017 zur Volksabstimmung kommen soll.

Nach dem Vorschlag sollen keine neuen AKW gebaut und für die Energieversorgung auf erneuerbare Energie gesetzt werden - allerdings ohne verbindliche Abschalttermine für Atomkraftwerke. Richtwerte sind im Energiegesetz (EnG) von 2020 bis 2035 für Energie- und Stromverbrauch verankert, der langfristige Umbau soll bis 2050 erfolgen. An diesen Werten orientieren sich alle Schritte und das sind viele: Die Broschüre zur Volksabstimmung ist dick.

Die Vorschläge begründen sich nicht nur in der Angst vor Atomunfällen: Die Schweizer Energieversorgung hängt zu einem Großteil vom Ausland ab - mit einem kleineren Energieverbrauch und weniger importierten Brennstoffen wie Erdöl würde die Abhängigkeit von Importen reduziert und durch die Förderung der eigenen Produktion bliebe auch die Wertschöpfung im Land. Atomkraftwerke sind weder rentabel noch wettbewerbsfähig, deshalb sollen erneuerbare Energien wie Wasser, Sonne oder Wind gefördert werden. Rasche Bewilligungsverfahren für Anlagen zur Nutzung dieser Energien helfen mit, die Energiewende zu fördern. Bestehende Großwasserkraftwerke sollen vorübergehend unterstützt werden, weil sie jetzt kaum kostendeckend produzieren.

Angesetzt wird aber auch beim Verkehr und bei den Privathaushalten: Wichtig seien Einsparungen bei Gebäuden - Hauseigentümer erhalten dazu Vorgaben und Unterstützung für energetische Sanierung und Steuererleichterung. Der Energieverbrauch wird zudem reduziert mit der Produktion sparsamer Kühlschränke oder Herde. Eine Erhöhung des Netzzuschlages, den Familien derzeit für den Ausbau der Energiewende zahlen, ist vorgesehen. Die Zeit drängt: Mit einem ökologischen Fußabdruck von 5,0 - um den Lebensstandard eines Schweizers zu ermöglichen, werden fünf Hektar Fläche benötigt - leben die Schweizer auf Kosten des Rests der Welt. »Hier und jetzt braucht es die Energiestrategie 2050«, meint Judith Schmutz Ko- Präsidentin Junge Grüne Schweiz.

Obwohl das erste Paket kaum revolutionäre Forderungen enthält, regt sich Widerstand. Ob man etwa nur kalt duschen solle, fragen Gegner - ein überparteiliches Komitee auch mit Mitgliedern der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) greift das Referendum an. Erneuerbare seien nicht in der Lage, den fehlenden Strom zu kompensieren. Somit wachse die Abhängigkeit vom Ausland und die Kosten stiegen. Ob die Angstkampagne fruchtet, wird sich am Sonntag zeigen.

Die Energiewende muss sein, allerdings wäre eine Annahme des Energiegesetzes kein Durchbruch, die Ablehnung aber ein Rückschritt. Daniel Egloff, Stadtrat der Partei der Arbeit der Schweiz, meint: »Das Gesetz ist nicht sozial. Die Kosten werden hauptsächlich auf die Arbeiter abgewälzt, gleichzeitig profitieren Unternehmen und Hauseigentümer von neuen Subventionierungen.« Würde die Zeit aufgrund der alternden AKW und des drohenden Klimawandels nicht drängen, müsste die Vorlage eigentlich abgelehnt werden. Der Verein »Atomkraftwerke abschalten Schweiz« hat jetzt begonnen, für eine neue Volksinitiative Unterschriften zu sammeln, um einen Ausstieg aus der Atomenergie zu erreichen.

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