Sieg für Mann des Kompromisses

Deutliche Mehrheit der Iraner stellt sich hinter Politik von Präsident Ruhani

  • Oliver Eberhardt, Teheran
  • Lesedauer: 3 Min.

Als am Samstag im iranischen Fernsehen die Wahlergebnisse bekannt gegeben wurden, brach im Basar von Teheran Jubel aus. Menschen begannen zu tanzen und sogar die sonst chronisch grimmig dreinblickenden Polizisten, die nie weit weg sind, schüttelten sich mit einem zufriedenen Lächeln die Hände: Hassan Ruhani bleibt Präsident Irans.

Und er präsentierte der Öffentlichkeit in den folgenden Stunden geradezu Unerhörtes. Zuerst postete er auf Instagram ein Bild, auf dem eine Familie nach der Stimmabgabe zu sehen ist; einige der Frauen sind bunt gekleidet, ihre Haare deutlich sichtbar. »Liebes Volk Irans, ihr seid die wahren Gewinner dieser Wahl«, heißt es dazu. Und kurz darauf trat Ruhani dann, live übertragen im Fernsehen, zur Dankesrede vor seine Anhänger und sparte kaum ein kontroverses Thema aus: Frauenrechte, Justizwillkür, alles dabei, stets gefolgt von dem Versprechen, nun »vorwärts, nicht rückwärts« gehen zu wollen. Dann dankte Ruhani dem ehemaligen Präsidenten Mohammad Chatami für die Unterstützung, und überschritt damit eine dicke rote Linie. Chatami steht seit Jahren ohne Gerichtsurteil unter Hausarrest; in den Medien darf sein Name nicht genannt, sein Bild nicht gezeigt werden.

Meint er es ernst? Viele Iraner sind davon überzeugt. »Dass ein Politiker überhaupt diese Themen anspricht, ist für mich ein Erfolg«, sagt Reza Esmaili, ein Elektronikhändler im Basar. Die jahrelangen ausländischen Sanktionen, die hohe Arbeitslosigkeit, die grassierende Armut haben ihn fast ruiniert; nur wenige könnten sich überhaupt noch Computer oder neue Fernseher leisten, daran habe sich auch während Ruhanis erster Amtszeit wenig geändert.

Der aussichtsreichste konservative Kandidat, Ebrahim Raisi, hatte deshalb im Wahlkampf für die vom religiösen Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei geforderte Abschottungspolitik geworben: Das Land solle, statt sich für die westliche Wirtschaft zu öffnen, besser so wirtschaftlich unabhängig werden wie möglich. Doch für viele Iraner ist das, obwohl immer noch kein freier Handel mit der EU und den USA möglich ist, keine Option, auch, weil man befürchtet, dann auf Freiheiten verzichten zu müssen, die man in den vergangenen Jahren hinzugewonnen hat. Bei der Wahl hatten 38,3 Prozent der Wähler für Raisi gestimmt; 57,13 Prozent votierten für Ruhani. Im Vergleich zur Wahl 2013 gewann Ruhani damit gut fünf Millionen Stimmen hinzu; die Wahlbeteiligung war mit rund 73 Prozent eine der höchsten in Iran überhaupt. In Ruhanis Wahlkampfteam sieht man sich deshalb gut gestärkt für eine turbulente zweite Amtszeit. »Die Wähler wissen, wofür Ruhani eintritt und sind in Massen in die Wahllokale gekommen«, sagte ein Sprecher Ruhanis, »Die Macht des Volkes ist also mit uns.«

Doch gleichzeitig steht Ruhani nun vor der Herausforderung, den Dialog mit dem Westen, aber auch mit den arabischen Nachbarn vorantreiben zu müssen. Erwartet wird, dass er die Aufhebung der US-Sanktionen erreicht, und dies in der Ära von Donald Trump. Aus iranischer Sicht ist dies schwierig, weil der Westen verlangt, dass Iran das Engagement in Syrien und Jemen einstellt und die Partnerschaft mit den schiitischen Glaubensbrüdern von der Hisbollah in Libanon zurückfährt. Eine kaum realistische Erwartung. Außerdem berührt das die Zuständigkeit der Revolutionsgarden, die offiziell allein dem obersten Ayatollah verpflichtet sind, tatsächlich aber ein weitgehendes Eigenleben führen. Wie sich die Führung der Garden in Zukunft zu Ruhani stellen wird, ist offen, auch wenn man schon seit dem vergangenen Jahr die Nähe zueinander sucht: Am Sonntag zeigte sich der Kommandeur der Garden, Mohammad Ali Dschafari, an der Seite Ruhanis in der Öffentlichkeit, was in Iran immer ein Signal ist. Aber: Das religiöse Oberhaupt Chamenei hatte Ruhani bis zum Sonntagnachmittag noch nicht öffentlich seine Glückwünsche zur Wiederwahl ausgesprochen.

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