Anwohner erzwingen Bauplan-Diskussion

Der Streit um eine Nachverdichtung an der Kreuzberger Blücherstraße wird im Bauausschuss verhandelt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich habe den Eindruck, dass die Grünen mit zwei Maßstäben messen«, sagt Claudia Bartholomeyczik von der Anwohnerinitiative »Kiezerhalt«. »Bürgerbeteiligung ist nur gut, wenn sie im Sinne der Verantwortlichen ist«, so ihr Eindruck. Seit zwei Jahren schwelt der Streit um eine geplante Nachverdichtung an der Kreuzberger Blücherstraße 26 (»nd« berichtete). Bis zu fünf neue Häuser sollen auf dem - typisch für die 1960er Jahre - locker bebauten Grundstück hinzukommen. Ihr und vielen anderen passt das in der vorgestellten Form nicht. Denn dadurch verschwinden Bäume und Grünflächen, ursprünglich sollte auch ein Spielplatz verlegt werden.

Das Unverständnis im Kiez zwischen Urban- und Gneisenaustraße ist so groß, dass die Anwohner über 1200 gültige Unterschriften für einen Bürgerantrag sammeln konnten, der diesen Dienstag im Friedrichshain-Kreuzberger Bauausschuss verhandelt wird. Das Bezirksamt wird in dem Antrag aufgefordert, eine »stadtklimaschützende, bestandsschützende« Planung aufzustellen. Dazu soll es im Verfahren eine Anwohnerbeteiligung »mit regelmäßigen Steuerungsrunden und Workshops« geben, das »Gesamtensemble des Architekten Ernst May und des Landschaftsplaners Walter Rossow ist in seiner Struktur und seinem Charakter zu erhalten und dauerhaft zu schützen«.

Zwei offene Briefe stützen das Anliegen der Anwohner. Namhafte Architekten und Kunsthistoriker, darunter der ehemalige Kultursenator Thomas Flierl (LINKE), sehen das »einzigartige Ensemble« in Gefahr. Auch der Umweltverband BUND Berlin wandte sich in einem Schreiben an den Bauausschuss. Für sich genommen wäre der Eingriff in die Grünflächen kompensierbar, so der BUND. Wenn es Einzelfall wäre.

Die Dinge liegen kompliziert. In dem 1967 errichteten Ensemble betreiben die zwei sozialen Träger »Vita« und »Jugendwohnen im Kiez« Wohnprojekte, unter anderem für Jugendliche und Senioren. Außerdem leben dort auch ganz normale Mieter. Mit den Neubauten soll zusätzlich eine Kita eingerichtet und der Platz für Wohnprojekte vergrößert werden. Bekanntlich haben soziale Träger immer größere Unterbringungsprobleme. Unter dieser Prämisse kaufte die von den Trägern gegründete Projektgesellschaft »Blücher 26 Housing« bereits 2012 das Areal dem Land ab. Für zwei Gebäude wurden bisher Bauanträge gestellt, einer ist genehmigungsreif, der andere wurde abgelehnt, weil er nicht der Bauvoranfrage entsprach.

John Dahl (SPD), Vorsitzender des Bauausschusses, will den Bürgerantrag unterstützen. Lothar Jösting-Schüssler, für die Linkspartei im Ausschuss, sieht die Sache differenzierter: »Bei der Sitzung wird zunächst die Gelegenheit genutzt, entsprechende Fragen zu stellen und Kompromissmöglichkeiten zu suchen.« Seine Fraktion will erst am Montag endgültig entscheiden. »Natürlich sind wir kompromissbereit«, sagt Claudia Bartholomeyczik. »Es muss aber endlich einen Runden Tisch mit allen Akteuren und Betroffenen geben. Das fordern wir seit 2015.«

»Wir sind gespannt auf die Debatte. Aber letztlich sind die Positionen ausgetauscht«, sagt Grünen-Ausschussmitglied Julian Schwarze. Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) verweist darauf, dass die Planungen schon angepasst worden seien. »Der Spielplatz wird nicht angetastet«, sagt er. Angesichts des Mangels an Unterkünften für soziale Träger sieht er auch keine Alternative zum Projekt. »Mir ist es wichtiger, dass Bedarfsgruppen dort bleiben können«, so Schmidt.

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