Bouffiers Modell für den Bund

Hessens Regierungschef will Schwarz-Grün bis zur Wahl 2018 möglichst lautlos fortführen

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

18 Monate vor der nächsten Landtagswahl ist bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) keine Spur von Amtsmüdigkeit zu erkennen. Der 65-Jährige hatte als hessischer Innenminister und »ewiger Kronprinz« unter seinem Vorgänger Roland Koch elf Jahre lang gewartet, bis er 2010 in die Wiesbadener Staatskanzlei einziehen konnte. Als Chef der ersten schwarz-grünen Koalition in einem größeren Flächenland gibt er sich fest entschlossen, dieses Bündnis als Modell auch für den Bund zu präsentieren und mindestens bis zum Ende der Amtszeit ohne Brüche und Krisen fortzusetzen. Wann genau im Spätherbst 2018 gewählt werden wird, muss noch festgelegt werden.

Weit entgegen kommt dem CDU-Mann dabei die vom Realoflügel beherrschte einstige Ökopartei, die in Hessen schon 1985 innerhalb einer rot-grünen Koalition Regierungserfahrungen gesammelt hatte. 2006 dann folgte ein schwarz-grünes Rathausbündnis in der Bankenmetropole Frankfurt am Main. In Darmstadt wurde Grünen-OB Jochen Partsch in der Direktwahl jüngst mit CDU-Hilfe im Amt bestätigt. 2013 schlug die Partei die Option einer rot-rot-grünen Regierungsmehrheit aus und begab sich in die Arme der traditionell rechtskonservativen Hessen-CDU.

Während grüne Traditionalisten in alten Zeiten hochmotiviert gegen Flughafenausbau, Atomkraft und Aufrüstung auf die Straße gingen, unterscheidet sich die Linie von Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir und Umweltministerin Priska Hinz (beide Grüne) heute kaum von der ihrer liberalen und christdemokratischen Vorgänger. Ihre Ministerien gaben grünes Licht für ein drittes Frankfurter Flughafenterminal und das Anlocken von Billigfliegern, für Gigaliner und Oberleitungen auf Autobahnen, für Versenkgehmigungen im hessisch-thüringischen Kalirevier. Aus Protest gegen eine Verschärfung des Asylrechts verließ die Abgeordnete Mürvet Öztürk 2015 die Landtagsfraktion der Grünen. Im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags sind die Koalitionspartner bemüht, den Regierungschef gegen Kritik an seiner fragwürdigen Rolle als Innenminister zum Zeitpunkt des Kasseler NSU-Mordes 2006 in Schutz zu nehmen. Beide Parteien hatten sich bei der Abstimmung über die Einsetzung des Ausschusses enthalten.

Die hessische Sozialdemokratie, die bis 1999 - von einem vierjährigen Zwischenspiel abgesehen - stets den hessischen Regierungschef gestellt hatte, drückt inzwischen seit 18 Jahren die Oppositionsbank. Dass sie sich notfalls auch mit der CDU zusammenraufen könnte und vor Linksbündnissen zurückschreckt, zeigen etliche kommunale Kooperationen in Stadt und Land. Doch Bouffier, der in der Bundes-CDU zu den Stützen für Kanzlerin Merkel zählt, dürfte sich mit Blick auf die Wahl 2018 neben der schwarz-grünen Option vorrangig die Tür für eine neue schwarz-gelbe Koalition offenhalten. Eine solche regierte in Hessen bereits dreimal.

Die Liberalen hatten bei letzten Landtagswahl 2013 nur ganz knapp die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen. Ihr bisheriger Fraktionschef und Ex-Wirtschaftsminister Florian Rentsch wechselt in diesen Tagen von den Oppositionsbänken in die Chefetage des Sparda-Bankenverbands. Doch nach dem jüngsten Auftrieb für die FDP in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen machen sich auch hessische Liberale Hoffnung auf bessere Zeiten. Bis zum Wahltag im Spätherbst 2018 ist es allerdings noch eine lange Zeit.

Ob die Rechtspartei AfD, deren Spitzenmann Alexander Gauland Ende der 1980er Jahre als CDU-Staatssekretär in der Hessischen Staatskanzlei diente, auch im künftigen Landtag sitzen wird, ist gleichfalls offen. Hoffnung auf einen Wiedereinzug macht sich die hessische LINKE, die hier seit 2008 ununterbrochen mit einer sechsköpfigen Fraktion vertreten ist und laut Umfragen landesweit deutlich über den magischen fünf Prozent liegt. Dies ist der Linkspartei bislang in keinem anderen größeren westlichen Flächenland gelungen.

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