Zschäpe-Gutachter in Erklärungsnot

NSU-Prozess: Nebenkläger stellen Befangenheitsantrag gegen Psychiater

  • Lesedauer: 2 Min.

München. Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer, der die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe für vermindert schuldfähig erklärt hatte, gerät immer stärker in die Kritik. Mehrere Nebenkläger im NSU-Prozess stellten am Mittwoch einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen, der von Zschäpes beiden Wunsch-Verteidigern als Gutachter benannt worden war.

Bekannt wurde auch, dass Zschäpes Mutter das Zerwürfnis mit ihrer Tochter gegenüber Polizeibeamten einst auch mit deren rechter Einstellung begründet hatte. Das berichtete ein Polizist, der als Zeuge geladen war. Zschäpes Mutter verweigerte zwar wie 2013 die Aussage, stimmte aber nun der Verwertung ihrer Äußerungen bei der Polizei 2011 zu. Damals sagte sie: »Die politische Einstellung meiner Tochter war nicht der ausschlaggebende, jedoch ein sehr bedeutender Grund für unser Zerwürfnis.« Sie selbst tendierte demnach eher in die linke Richtung.

In dem Befangenheitsantrag der Nebenkläger gegen Bauer heißt es, dieser habe jede professionelle Distanz verloren, die Befangenheit sei offenkundig. Die Nebenkläger begründen das mit einer E-Mail Bauers an den Online-Chef der Welt-N24-Gruppe, in der Bauer einen »exklusiven Beitrag« über Zschäpe angeboten habe - er habe ein Gutachten erstellt, »das einigen nicht passt«. »Das Stereotyp, dass Frau Zschäpe das nackte Böse in einem weiblichen Körper ist, darf nicht beschädigt werden«, schrieb der Psychiater über den Umgang mit Zschäpe. Und weiter: »Eine Hexenverbrennung soll ja schließlich Spaß machen.«

Damit diffamiere Bauer alle Prozessbeteiligten, heißt es in dem Befangenheitsantrag, den die Rechtsanwältin Doris Dierbach verlas. Der Psychiater sehe sich »offensichtlich als Retter« der Hauptangeklagten vor einer »Hexenverbrennung« - dabei habe ein Sachverständiger sein Gutachten objektiv zu erstatten. Vergangene Woche war bereits bekanntgeworden, dass Bauer versucht hatte, Zschäpe Pralinen in die Justizvollzugsanstalt Stadelheim mitzubringen.

Bauer hatte der Angeklagten eine schwere abhängige Persönlichkeitsstörung attestiert: Zschäpe sei hochgradig abhängig von ihrem Freund Uwe Böhnhardt gewesen. Hingegen hatte der vom Oberlandegericht bestellte Sachverständige, der Psychiater Henning Saß, der 42-Jährigen volle Schuldfähigkeit bescheinigt. Mit Bauer hatte Zschäpe - anders als mit Saß - mehrfach gesprochen. dpa/nd

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal