Ein feuchtes Ende

Eine neue Untersuchung legt nahe, dass Klimaveränderungen und nicht Jäger am Ende der Eiszeit die großen Tierarten ausrotteten

  • Andreas Knudsen
  • Lesedauer: 4 Min.

Mammuts, Riesenfaultiere, Wollnashörner, Riesenguanakos und andere Pflanzenfresser in XXL-Größe fraßen sich über Zehntausende Jahre ihre Bahn durch die Grassteppen am Rande der Eiszeitgletscher. Doch am Ende der Eiszeit starben die von Zoologen der Megafauna zugerechneten Tierarten innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums fast gleichzeitig in Nordamerika, Europa, Sibirien und Patagonien aus. Damals verschwanden auch die Wildpferde aus Amerika und kamen erst mit den spanischen Eroberern zurück. Seither prägen sie die Kultur der Prärieindianer Nordamerikas und das Bild vom Indianer schlechthin. Wer weiß, wie die Eroberung Amerikas verlaufen wäre, hätten die Wildpferde das Ende der Eiszeit überstanden.

Weil das Aussterben der Megafauna mit der Ausbreitung von Menschen in diesen Gebieten zeitlich zusammenfiel, werden vielfach die Jäger als wichtigste Ursache des plötzlichen Verschwindens dieser Tierarten angesehen. Im bis dahin menschenleeren Amerika hatten die Tiere keine instinktive Furcht vor den neuangekommenen Zweibeinern und wurden so nach lange vorherrschender Expertenmeinung Opfer von regelrechten Massakern.

Ein Team der Universität Adelaide unter Leitung von Alan Cooper machte sich daran, dieses in der Wissenschaft heiß umstrittene Thema mit Hilfe von Klimadaten neu zu beleuchten. Beginnend vor 60 000 bis vor 12 000 Jahren nutzten die Forscher alle verfügbaren Daten über den Bestand von Säugetieren mit einem Körpergewicht von mehr als 50 Kilogramm aus einem Gebiet, das die eurasischen und nordamerikanischen Mammutsteppen sowie Patagonien einschloss. Diese Daten, insbesondere zum Stickstoffgehalt in fossilen Knochen, wurden mit Klimadaten aus grönländischen und antarktischen Eiskernen verglichen. Die Stickstoffisotope in den Fossilien zeigen an, welche Nahrung die Tiere zu sich genommen haben und geben damit Aufschlüsse über die damalige Vegetation. Die Ergebnisse bestätigten frühere, regional begrenzte Studien, dass es jähe Klimawechsel waren, die den Tieren das Leben zunehmend schwer machten und sie schließlich aussterben ließen.

Der untersuchte Landschaftstyp wird als Mammutsteppe bezeichnet, obwohl beispielsweise in Patagonien keine Mammuts lebten. Dieses Biotop der Kaltzeiten war von Gräsern und krautigen Pflanzen dominiert, an die die Großsäuger angepasst waren. Büsche und Bäume wurden zumeist von den Tieren niedergetrampelt und bedeckten keine größeren Gebiete. Die abschmelzenden Gletscher setzten die Gesteinsschichten der Erosion aus. Die zusätzlichen Mineralien veränderten die Vegetation. Anfangs profitierten die Grasfresser von dieser Veränderung. Doch die gigantischen Schmelzwassermengen beim Abtauen der Gletscher führten auch zur Entstehung großer Sumpfgebiete, die riesigen Steppen wurden von Mooren zerteilt. Gleichzeitig brachte der Wind nicht mehr so viel mineralreichen Staub, die Böden versauerten, das Nahrungsangebot wurde schlechter. Da die Erwärmung seit rund 12 000 Jahren anhielt und nicht wie in den Jahrtausenden zuvor in eine neue Kaltzeit überging, hatte die Megafauna letztlich keine Chance mehr, sich anzupassen und zu erholen.

Die Studie beschäftigt sich nicht eingehend mit dem menschlichen Einfluss auf die Megafauna. Zwar sehen die Autoren in Klimaveränderungen die Hauptursache für das Massenaussterben, aber die Jäger sind damit nicht völlig freigesprochen. Sie trugen ihren Teil dazu bei, die Großsäuger weiter zu dezimieren. Für die Mammuts, die Ikonen der Eiszeit, wird eine Tragezeit ähnlich heutiger Elefanten angenommen, die etwa 22 Monate beträgt. Zwischen den Geburten liegen mehrere Jahre und vermutet wird, dass unsere Vorfahren ihre Jagd auf jüngere, unerfahrene Tiere konzentrierten. Man kann sich bei diesen Voraussetzungen leicht die Folgen für eine Herde ausmalen, die bereits unter ökologischem Druck steht. Es gehören also keine regelrechten Massaker dazu, um die Megafauna über einen längeren Zeitraum in einer Region auszurotten.

Da Mensch und Megafauna in Süd- und Nordamerika nachweislich über etwa 2000 Jahre nebeneinanderlebten, wird es wahrscheinlich, dass die Speerspitzen der Jäger die Arbeit vollendeten, die der Klimawandel begonnen hatte. Auch in Europa könnte eine wachsende Jägerbevölkerung einen gewichtigen Anteil am Aussterben der Megafauna gehabt haben. In den osteuropäischen Steppen fand man Grubenhäuser, deren Dach und Wände aus Mammutstoßzähnen bestehen und damit auf intensive Jagd deuten. Allerdings gibt es zur Bevölkerungsdichte in den verschiedenen Phasen der Steinzeit nur wenig verlässliche Abschätzungen.

Coopers Gruppe untersuchte auch die zur Verfügung stehenden Daten aus Afrika, wo ein ähnliches Aussterben der Megafauna nicht stattfand. Sie schlussfolgerte, dass Afrikas äquatoriale Lage Elefanten, Flusspferden usw. Überlebensraum bot, obwohl auch hier die Lebensräume schrumpften. Um ein endgültiges Bild für die Entwicklung in Afrika geben zu können, sind nach Meinung von Alan Cooper jedoch mehr Daten notwendig. Eine Aussage für Australien, wo ebenfalls einige riesige Tierarten verschwanden, wollte die Forschergruppe nicht treffen, da das vorhandene Wissen nicht ausreichend sei, um gültige Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Die Ergebnisse der Studie werfen aber nicht nur Licht auf längst vergangene Ereignisse. Chris Turney von der Universität von New South Wales und Mitverfasser der Untersuchung wies in einer Stellungnahme auf die heute sich vollziehende Klimaveränderung hin: »Der Druck, den die Menschheit heute auf die Umwelt ausübt, und die Klimaerwärmung geben Anlass zu großer Sorge über die Zukunft der Umwelt«.

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