Die AfD beantragt - und die LINKE stimmt zu?

Saarländische Linksfraktion diskutiert über ihren Umgang mit Anträgen von Rechtsaußen

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 4 Min.

Die AfD sitzt mittlerweile in 13 Landtagen und Bürgerschaften, hält Reden, Gegenreden, schreibt Anträge und formuliert Beschlusspunkte. Die rechtsradikale Partei ist im parlamentarischen Betrieb angekommen. Seit August 2014 müssen sich LINKE, Grüne, CDU und SPD in vielen Parlamenten die Oppositionsarbeit mit den Rechtsaußen teilen.

Aber wie arbeitet man mit einer antidemokratischen, rassistischen und antisemitischen Partei zusammen? Am besten gar nicht, hieß es mal in einem Beschluss der demokratischen Parteien bezüglich der NPD. Zuerst in Mecklenburg-Vorpommern hatte man sich auf einen gemeinsamen Umgang geeinigt: Ein Antrag der NPD wird geschlossen abgelehnt, eine Antwort in der Debatte erfolgt im Namen aller immer nur von einer Fraktion. »Schweriner Modell« nennt sich dieser Umgang, den die LINKE eigentlich auf die AfD anwenden will. Die Parteispitze beschloss im Februar 2016: »Wir betreiben eine klare politische und organisatorische Abgrenzung gegenüber der AfD. Wir werden z.B. in Parlamenten - auch auf der kommunalen Ebene - keine gemeinsamen Anträge einreichen, wir werden konsequent gegen Anträge der AfD stimmen, keine gemeinsamen Erklärungen abgeben, keine Unterstützung in Personalangelegenheiten gewähren oder annehmen.«

Doch in den Länderparlamenten gestaltet sich die Durchsetzung dieser grundsätzlich ablehnenden Haltung schwieriger. Die AfD provoziert mit Anträgen, die teils wortgleich aus Anträgen der Linksfraktion abgeschrieben sind, und sorgt damit für Verwirrung. Wie soll man es den WählerInnen vermitteln, einen Antrag abzulehnen, der inhaltlich mit den LINKE-Forderungen übereinstimmt? Während die Linksfraktion in Sachsen seit 2014 keinem einzigen AfD-Antrag zugestimmt hat, kam es Ende 2016 in Mecklenburg-Vorpommern zum Sündenfall. Die Linksfraktion hatte einen Antrag zum Erhalt des Kreiskrankenhauses Wolgast eingebracht. Am folgenden Tag hatte die AfD einen wortgleichen Beschlusspunkt in ihrem Antrag zum gleichen Thema. Die Linksfraktion stimmte diesem Punkt zu. Ein Verstoß gegen den Parteibeschluss - es hagelte Kritik aus den eigenen Reihen.

Auch Saar-Fraktionschef Oskar Lafontaine sucht sicher keine Zusammenarbeit mit der AfD, die er als neoliberale Partei einordnet. Lafontaine ist lediglich dafür bekannt, WählerInnen der rechtsradikalen Partei nicht als RassistInnen abstempeln zu wollen, sondern als ProtestwählerInnen zu sehen, die es für die LINKE abzuholen gelte. Und für dieses »Abholen« fordert der Saarländer auch gerne mal eine strenge Abschiebepolitik.

Als der »Saarländische Rundfunk« am 17. Mai von der konstituierenden Sitzung des Landtages berichtete, Oppositionsführer Lafontaine habe angekündigt, Anträgen der Rechtsaußenpartei zuzustimmen, sofern es inhaltliche Übereinstimmung gebe, war die Aufregung intern ebenfalls groß. Inzwischen weiß jedoch eigentlich keiner so genau, was Lafontaine überhaupt gesagt hat. Auf »nd«-Nachfrage stellt Pressesprecher Martin Sommer klar: »Die Meldung der Saarlandwelle trifft nicht zu.« Vielmehr habe es in der Linksfraktion eine Diskussion darüber gegeben, wie man sich verhalte, wenn die AfD die gleichen Anträge stellt, die die LINKE in der letzten Legislaturperiode gestellt habe. Man könne schlecht gegen die eigenen Anträge stimmen. »Die Linksfraktion hat sich entschieden, in einem solchen Fall die Möglichkeiten der Geschäftsordnung auszuschöpfen, um in der Öffentlichkeit keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen.« Die Pressesprech-Rhetorik bedeutet: Nach langen Diskussionen hat sich die LINKE im Saarland zunächst darauf geeinigt, sich bei einem inhaltsgleichen AfD-Antrag zu enthalten, und dann einen linken Folgeantrag zu stellen. »Die interne Diskussion ist aber nicht abgeschlossen«, betont der LINKE-Abgeordnete Dennis Lander. Kommende Woche werde darüber noch einmal gemeinsam mit Lafontaine selbst diskutiert.

Aber Moment mal, Enthaltung? »Konsequent gegen Anträge der AfD stimmen«, heißt es im LINKE-Papier, das noch immer als Beschluss gilt. Von Enthaltungen hält auch die antifaschistische Sprecherin der Linksfraktion im sächsischen Landtag, Kerstin Köditz, nicht viel. Dabei ist auch dies bereits vorgekommen. »Es ging um die Senkung von Quoren bei Bürgerentscheiden, dazu haben wir seit Jahren gearbeitet, und jetzt wurde es von der AfD gefordert. In unserer Fraktion stimmten elf Abgeordnete mit Nein, 16 enthielten sich. Darüber wurde hart diskutiert.« Eine Zustimmung zu AfD-Anträgen schließt Köditz nach wie vor kategorisch aus: »Man muss die AfD als Ganzes sehen. 2014 war das noch eine Lucke-Partei, da war die Debatte noch schwerer. Aber mit Höcke? Zustimmung geht gar nicht, auch nicht bei inhaltlicher Übereinstimmung.«

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