Frei von Entscheidungsfreiheit
Grit Gernhardt ärgert sich über fehlenden Druck auf Lebensmittelhersteller
Die Verbraucher sollen frei entscheiden können, was sie kaufen/essen/trinken. So lautet das Standardargument der Industrie, sobald auch nur die Gefahr besteht, dass Gesetze Inhalt, Herstellung oder Aussehen von Produkten regeln könnten. Zum Glück steht die Bundespolitik fest an der Seite der Hersteller und überlässt es meist ihnen, einvernehmlich eine Regelung zu finden, bei der sie möglichst wenig an ihren Verfahren ändern müssen.
Aktuell kann Agrarminister Christian Schmidt die steigende Anzahl übergewichtiger Menschen und ernährungsbedingter Krankheiten nicht länger ignorieren. Deshalb sollen Lebensmittelhersteller Fett, Zucker und Salz in Fertiggerichten reduzieren - freiwillig natürlich. Zielgrößen gibt es keine, nur einen vagen Umsetzungszeitraum. Wo soll da eine verbraucherfreundliche Regelung herkommen? Aber die Kunden wissen laut der Industrie ja eh am besten, was sie wollen. Wer wollte es ihnen verbieten, wenn das eben Fertigpizzen, Cola oder Bärchenwurst sind, die billig herzustellen sind und deshalb viel Gewinn bringen? Dass die Industrie jedes Jahr Milliarden für Werbung ausgibt, damit die Verbraucher nicht merken, welch ungesundes Zeug sie konsumieren, wird außer Acht gelassen. Gleichzeitig verweigert die Politik den Verbrauchern mehr Klarheit über Nahrungsmittel - etwa durch die Lebensmittelampel. Wer bei derart ungleichen Voraussetzungen von Entscheidungsfreiheit spricht, lügt.
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