»Aizu, bai zu, haizu zaizu«

Die baskische Sprache zählt zu den ältesten in Europa. In den Schulen dies- und jenseits der französisch-spanischen Grenze wird sie jedoch nach wie vor nur selten gelehrt.

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 5 Min.

Hör zu, ja du, sie ist erlaubt!», dröhnt der Refrain eines Liedes von Ken 7 aus Lautsprechern rund um den See von Senpere. Und «Aizu, bai zu, haizu zaizu» singen viele in ihrer baskischen Sprache Euskera mit. Denn genau die ist gemeint. Zehntausende Menschen sind in Saint-Pée-sur-Nivelle, wie die Gemeinde offiziell in Frankreich heißt, zusammengeströmt. Bei Regen oder Sonne kommen sie jedes Jahr hierher, um für die Normalisierung der ältesten Sprache Europas einzutreten. Sie ist mit keiner Sprache weltweit verwandt, und die beiden Linguisten Elisabeth Hamel und Theo Vennemann halten die primitive Form «Vaskonisch» für die «Ursprache Europas».

«Es gibt fünf solche Veranstaltungen jährlich», erklärt der Baskischlehrer Paulo Arzelus Aramendi, bei denen zwischen Pyrenäen und Atlantik Euskera, wie die Basken ihre Sprache selbst bezeichnen, verteidigt werde. «Es braucht nicht nur Gesetze, sondern auch emotionale Verbindungen, und die müssen geschaffen, gestärkt oder zurückgewonnen werden», betont Aramendi. Der Aktivist, der aus seinem Einsatz seinen Beruf machen konnte, arbeitet im nahen Hendaia (Hendaye), direkt an der Grenze zu Spanien, in einer Privatschule der AEK, einer Vereinigung für Erwachsenenbildung. Diese wurde von der linken Bewegung während der Franco-Diktatur im spanischen Staat gegründet. Die Kurse mussten damals klandestin organisiert werden. Nun gibt es die AEK-Schulen beiderseits des Grenzflusses Bidasoa, der in Hendaia das Land teilt.

Alle Schulen sind Ausdruck einer breiten Bewegung und das Resultat vieler «Feiern». Mit den Einnahmen wird eine neue Schule gebaut, in der Kinder und Jugendliche in Baskisch unterrichtet werden. 34 solcher Schulen, die sich im Verband SEASKA zusammengeschlossen haben, gibt es mittlerweile im französischen Teil des Baskenlandes. Aktuell ist eine berufsbildende Schule in Baiona (Bayonne) geplant.

Die politischen Vorstellungen gehen allerdings darüber hinaus. Baskisch soll endlich offiziell in Frankreich als eigenständige Sprache anerkannt werden, fordert SEASKA-Präsident Paxkal Indo. Ein Etappenziel haben die Basken in Frankreich bereits erreicht: Mittlerweile werden die Lehrer der von SEASKA betriebenen Schulen von Paris bezahlt. Die Eltern auf der anderen Seite der Grenze müssen für den Besuch ihrer Kinder in den AEK-Schulen nach wie vor selbst aufkommen.

Das Verbot des Euskera während der Franco-Diktatur war ein Einschnitt für Generationen. Es war der Versuch der kulturellen Auslöschung, und Francos Generäle nahmen damit gleichzeitig Rache dafür, dass sich die eigentlich als konservativ geltenden Basken 1936 gegen die Putschisten gestellt und die Republik verteidigt hatten. In Frankreich war es ein jakobinischer Zentralstaat nach der Revolution Ende des 18. Jahrhunderts, der das Euskera unterdrückte. Das wirkt bis heute nach, und da im französischen Teil des Baskenlandes nur gut 250 000 Basken leben, ist Euskera dort weiter vom Aussterben bedroht.

Amets Arzalluz ist einer dieser 250 000. «Die Sprache stirbt täglich ein Stück, wenn sie nicht weitergeben wird», sagt er und fordert deshalb alle Eltern auf, ihren Kindern Euskera beizubringen. Auch er lebt in Hendaia und schaut mit gesundem Neid über die Grenze in die «Autonome Baskische Gemeinschaft». Dort wurde die Sprache nach langen Kämpfen im öffentlichen Schulsystem verankert. Eltern wählen zwischen verschiedenen Modellen. Kinder, die - wegen der Zusatzkosten - nicht auf eine AEK-Schule geschickt werden können, lernen hier nach dem sogenannten Modell D in der Unterrichtssprache Euskera. Rund 85 Prozent der Eltern machen von diesem Angebot mittlerweile Gebrauch.

Auch Jose Muro aus Donostia (San Sebastian) ließ beide Töchter in Baskisch ausbilden, obwohl er und seine Frau die Sprache nur wenig sprechen. «Unter Franco war es verboten und dann habe ich den Anschluss verpasst.» Während Freunde in den AEK-Schulen büffelten, studierte er in Burgos. Da seine Firma - eine Genossenschaft - entschieden hat, intern auf Baskisch kommunizieren zu wollen, lernt der 59-Jährige jetzt erstmals richtig Baskisch. «Es ist peinlich, wenn du auf eine Baustelle kommst und alle müssen wegen dir Spanisch sprechen, was einige nicht gut können.»

Einfach ist es auch für Manel Ferran nicht, die komplexe Sprache zu lernen. Seit vier Jahren geht der katalanische Arzt jeden Abend für zwei Stunden in die AEK. Allein Grammatik zu büffeln, sei schwierig. Er lobt die AEK-Methode, die spielerisch versucht, die Sprache zu vermitteln. Er will Euskera wenigstens verstehen und sich einigermaßen verständigen können, denn in Oiartzun, wo er wohnt, sprechen das fast alle. «Ich will auch die Familie meiner Frau nicht zwingen, eine Sprache zu sprechen, die nicht einmal meine Muttersprache ist.»

An der Grammatik kann man verzweifeln, sagen der Arzt und der Bauleiter. Deshalb sollte der Kulturschatz von früher Kindheit an gelernt werden. Euskera ist komplex und genau. Weist Deutsch bescheidene vier Fälle auf, werden im Baskischen 16 gezählt. Praktisch alles wird dekliniert. Wirklich verwirrend ist die berüchtigte Verbalmorphologie. Sprachwissenschaftler zählen 1000 und mehr Formen eines einzigen Verbs. Das hat folgende Ursache: Die Formen des Verbs enthalten im Baskischen nicht nur einen Bezug auf die jeweilige Person des handelnden Subjekts (z. B. wie im Deutschen ich liebe, du liebst, er liebt, wir lieben etc.), sondern zusätzlich auf die Person des direkten und des indirekten Objekts der Handlung und manchmal sogar noch die Person des Angesprochenen. Hinzu kommt noch eine besondere Form: Hika - eine Sprache in der Sprache -, die nur in der Familie und unter guten Freunden in Gebrauch ist.

Auch im Landesteil Navarra gewinnt Euskera wieder an Boden. Die Provinz gehört zum Autonomiegebiet, sie ist für Basken aber der Kern ihres Landes mit Iruña (Pamplona) als Hauptstadt. Hier wurde Euskera lange von spanischen Rechten bekämpft. In jüngster Zeit haben politische Veränderungen auch in Navarra eine Normalisierung ermöglicht. Linksnationalisten und Podemos haben eine Regierungskoalition gebildet und sich offen für die Förderung der baskischen Sprache ausgesprochen.

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