Vor der Kieler Woche noch ein Kriegsspiel

Auf der Ostsee läuft ein Marinemanöver, auch im Südosten Europas sammeln die USA Truppen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Vom 17. bis zum 25. Juni ist es wieder soweit. Die Kieler Woche, das größte maritime Volksfest Nordeuropas, wird wieder Zehntausende in die Hauptstadt Schleswig-Holsteins locken. Doch vor alle Paraden haben die Admirale traditionell ein Kriegsspiel gesetzt. BALTOPS heißt es und läuft bereits seit Monatsbeginn unter Leitung der US Navy.

Die Übung, die an Land vielgestaltig weitergeführt wird, passt sich ein in die »Readiness Action Plan«-Strategie der NATO, mit der Russland abgeschreckt werden soll. Die Schwerpunkte sind allgemein benannt. Man trainiert einen konventionellen Seekrieg und übt amphibische Landungen. Zudem will man sich wappnen für die Abwehr asymmetrischer Bedrohungen. Man kann es auch weniger verschwommen sagen: Nachdem die NATO ihre Truppen an der Ostgrenze auch durch Einheiten anderer Mitgliedsstaaten verstärkt hat, will man jetzt auch die Ostsee dominieren. Nur so kann man den maritimen Nachschub für die eigenen Landtruppen sichern und die im Kaliningrader Gebiet stationierten russischen Truppen von dem ihren abschneiden. Solche Planspiele bergen Unwägbarkeiten gefährlicher Art.

Mit etwa 50 Schiffen und Booten sowie über 50 Helikoptern und Flugzeugen beteiligen sich neben den USA 13 weitere Nationen an BALTOPS 17: Belgien ist dabei, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Polen, Schweden und Großbritannien machen mit. Die Deutsche Marine hat fünf Einheiten - die Fregatte »Mecklenburg-Vorpommern«, den Einsatzgruppenversorger »Bonn«, das Minenjagdboot »Datteln«, das Hohlstablenkboot »Pegnitz« und den Tender »Elbe« - für das Kriegsspiel abgestellt.

Ursprünglich waren die BALTOPS-Manöver eine reine NATO-Angelegenheit. Seit 1993 läuft alles unter der NATO-Initiative »Partnership for Peace«, weshalb auch noch mehr oder weniger neutrale Ostseeanrainer wie Finnland und Schweden teilnehmen. Es gab sogar mal eine Zeit, da war Russlands Baltische Flotte eingebunden. Seit 2014 aber wurde aus diesem Übungspartner wieder der traditionelle Feind und ein interessierter Beobachter. Die sogenannte Ukraine-Krise bietet den politischen Hintergrund für diesen dauerhaften Rollenwechsel.

In Russland bewertet man die westliche Großübung als einen weiteren Versuch, das Einflussgebiet der NATO auszudehnen. Moskau hat angekündigt, entsprechend darauf zu reagieren. Was das im Einzelnen auch heißt - ein Abbau eigener Fähigkeiten ist damit gewiss nicht gemeint und ein Zuwachs an Vertrauen wird so auch nicht zu vermelden sein.

Bereits jetzt ist klar, dass Moskau in diesem Sommer rund 2000 Manöver plant. Man will Raketen verschiedenster Bestimmung testen, Bomber ausschicken und beim Großmanöver »Zapad 2017« das Können der Landstreitkräfte demonstrieren. An diesem Manöver, dessen Namensübersetzung »Westen« bedeutet, werden belorussische Truppen beteiligt sein. Was ein deutliches Signal an die NATO ist, die in den baltischen Ländern jeweils ein Kampfbataillon stationiert hat.

Anfang des Monats liefen die wichtigsten Manöver-Schiffe in den Hafen von Szczecin ein. Die Kommandanten machten sich mit den einzelnen Übungsszenarien vertraut. Weiter ging es in den westlichen Teil der Ostsee. Vor dem Strand von Putlos in Holstein lag das US-Landungsschiff »Arlington« und US Marines absolvierten erste amphibische Landungsübungen. US-Vizeadmiral Christopher W. Grady war begeistert und betonte, »die Demonstration unserer Fähigkeiten zeigt, dass wir hier sind, um Aggressionen zu verhindern«. So wolle man unterstreichen, dass die USA bereit sind, »unsere Partner und Verbündeten hier in der Ostseeregion zu verteidigen«. Die Worte des Admirals waren klarer als alles, was US-Präsident Donald Trump beim jüngsten Spitzentreffen der NATO von sich gegeben hat.

Weitere Landungsoperationen, die man keineswegs als defensiv bewerten kann, werden am Strand von Ustka in Polen sowie in Litauen folgen. Auch US-Atombomber waren bereits angefordert. Eine ihrer Aufgaben ist seit Beginn der Manöver in den 70er Jahren unverändert die Verminung der Ostseezugänge. Seit Sonntag übt man nun in der mittleren Ostsee und damit direkt vor der Nase der Russen.

Das Ostsee-Manöver darf nicht isoliert von einem im Südosten Europas gesehen werden. Auch die Übung mit dem Codenamen »Saber Guardian 17« wird von den USA geleitet. Die Verlegung größerer amerikanischer und britischer Truppenteile hat begonnen. Sie werden von Deutschland aus zu den Übungsgebieten in Ungarn, Rumänien und Bulgarien verlegt. Weit über 30 000 Soldaten werden beteiligt sein. Mit dabei: Fla-Raketeneinheiten aus der Ukraine. Dass die US-Armee die Ukraine so unmittelbar in ihre Operationen an Russlands Grenze einbezieht, ist erprobte Provokation. Bereits vor zwei Jahren hatten 800 ukrainische Soldaten an »Saber Guardien 2015« teilgenommen.

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