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Gefahr für das Kulturgut

Schimmel und Tinte fressen sich durch alte Dokumente

  • Doreen Fiedler, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Dombibliothek von Speyer wird im Pfälzischen Erbfolgekrieg Opfer der Flammen, die Stadtbibliothek Worms verliert im Zweiten Weltkrieg viele Bücher. Es sind nicht nur solche Katastrophen, die schriftliches Kulturgut in Rheinland-Pfalz vernichten. Jeden Tag breiten sich Schimmel und Mikroben in Papier und Pergament aus, zersetzen Säure und Tinte die Dokumente. »Die Schäden sind erschreckend und hoch«, sagt Elsbeth Andre, Leiterin der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz. Weniger als die Hälfte der Archive wird von Fachpersonal geleitet, nicht eines hat eine Schadensanalyse. Bei den Bibliotheken ist es nicht besser: Vier von zehn haben Schimmel, nur sechs verfügen über eine Restaurierungswerkstatt.

Diese »Misere des Kulturguterhalts« soll nun gelindert werden. 2018 sind dafür 180 000 Euro im Landeshaushalt und eine halbe Stelle vorgesehen. »Damit können wir weiterhelfen«, sagt Annette Gerlach, Leiterin des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz. Es gehe darum, die überwiegend kleinen Archive und Bibliotheken im Land zu beraten. »Wir müssen etwas tun, der Papierzerfall ist Realität«, so Gerlach. »Nutzer wollen Texte in Gänze lesen, sie wollen auch mal umblättern, und nicht dabei zusehen, wie das Papier in ihren Händen gelblich, bräunlich, brüchig und dann immer weniger wird.« Rheinland-Pfalz hinke Ländern wie Niedersachsen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hinterher, was Konzipierung und Finanzierung solcher Maßnahmen angehe.

Das Mainzer Stadtarchiv verfügt über einen Messkatalog aus dem Jahr 1572. »Schimmel hat die Zellulosestruktur des Papiers zerstört. Das fühlt sich an wie Zewa Wisch und Weg«, sagt Archivmitarbeiterin Annelen Ottermann. Außerdem sind bei dem Buch die Bünde gebrochen, so dass die Seiten rausfallen, und ein Wasserschaden hinterließ dunkle Flecken. Das Stadtarchiv hat sich angesichts der knappen Finanzmittel etwas einfallen lassen: Bürger übernehmen Buchpatenschaften. So werden die Bände restauriert.

Auch die Bibliotheca Bipontina in Zweibrücken verwendet Spenden, um ihre teils über 500 Jahre alten Bücher zu schützen. »Bei uns ist natürlich sehr viel zu tun, wir sind eine herzogliche Bibliothek und im Länderverzeichnis national wertvollen Kulturgutes«, so Sigrid Hubert-Reichling. Es gelte, die Bestände, die den Zweiten Weltkrieg in Salzbergwerken an der Elbe überdauert haben, für die nächsten 500 Jahre zu sichern.

Der Bedarf ist groß - die Mittel endlich. Gerlach rechnet vor, dass pro Archiv jährlich 3000 Euro zur Verfügung stünden. Eine Umfrage der bundesweiten Koordinierungsstelle für die Erhaltung schriftlichen Kulturguts habe ergeben, dass der Finanzbedarf jährlich bei 1,3 Millionen Euro liege - das für die kommenden 100 Jahre. Eine optimale Restaurierung aller Bestände mit optimalen Methoden sei nicht finanzierbar.

Dem stimmt Hans-Joachim Cristea, Direktor der Bibliothek des Priesterseminars Trier, zu. »Man hat nie genug Geld für alles, was wünschenswert ist.« Wichtig sei aber: Die Bände sollten in Schutzverpackungen aus säurefreiem Karton stecken.

Die Digitalisierung der Bücher und Dokumente sei kein Ersatz für den Erhalt der Originale, meint Annette Gerlach. »Wer weiß denn heute, für welche Forschung einst das Original noch nötig sein wird?« Die Schriftzeugnisse seien Kulturerbe der Gesellschaft. dpa/nd

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