Beispielloses Debakel

Sozialisten sind die größten Verlierer der Wahlen

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 3 Min.

Für die Sozialistische Partei (PS) ist das Ergebnis vom Sonntag ein beispielloses Debakel. Nach der vernichtenden Niederlage bei der Präsidentschaftswahl - ihr Kandidat Benoît Hamon erhielt nur 6,36 Prozent der Stimmen -, steht die Partei nun vor einer Zerreißprobe. Die PS-Kandidaten erreichten im ersten Durchgang der Parlamentswahlen im Landesschnitt 9,5 Prozent der Stimmen. Während sie in der vorangegangenen Legislaturperiode über 291 der 577 Sitze in der Nationalversammlung verfügten, können sie es am kommenden Sonntag nur auf 15 bis bestenfalls 35 Sitze bringen. Das sind noch weniger als nach der blamablen Wahlniederlage von 1993. Damals stürzte die PS von der absoluten Mehrheit im Parlament auf 59 Sitze ab.

»Diese Wahl ist eine beispiellose Niederlage«, musste am Wahlabend der Parteivorsitzende Jean-Christophe Cambadélis einräumen, der auch seinen eigenen Parlamentssitz verloren hat. Ebenso erging es Hamon sowie sechs ehemaligen PS-Ministern und zwei Ex-Ministern der mit der PS verbündeten Grünen. Die frühere PS-Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem ist zwar noch im Rennen, wird ihren Sitz aber höchstwahrscheinlich am kommenden Sonntag an den Gegenkandidaten von En marche abgeben müssen. Dieses Schicksal könnte dem ehemaligen PS-Premier Manuel Valls sowie seinen Ministern Stéphane Le Foll und Marisol Touraine erspart bleiben. Die drei haben schon vor Wochen Macron gegenüber Kooperationsbereitschaft bekundet, im Gegenzug wurde kein En-marche-Kandidat gegen sie aufgestellt.

Gründe für die Niederlage der Sozialisten nannte am Wahlabend die ehemalige PS-Ministerin Auérlie Filippetti, die ebenfalls ihren Sitz verloren hat. Filippetti hatte 2014 das Amt als Kulturministerin aus Protest gegen den Kurs von Präsident François Hollande und Premier Valls niedergelegt und war dann Sprecherin der »Aufrührer«, des linken Flügels der PS-Fraktion, geworden. »Auf uns wollte man nicht hören, als wir die Alarmglocken geläutet haben, weil unsere linken Wähler enttäuscht waren über die nicht gehaltenen Wahlversprechen von Hollande«, sagte sie. »Wenn die Linke ihre Werte nicht mehr hochhält und verteidigt, ist sie zum Scheitern verurteilt.« Sie habe, so Filippetti, die Partei seinerzeit nicht verlassen, weil sie sie von innen heraus erneuern wollte. Doch jetzt gehe es um mehr als nur die Existenz und die Zukunft der PS. »Es gilt zu verhindern, dass die Linke bedeutungslos wird. Wir müssen sie neu aufbauen und uns darauf besinnen, wofür sie eigentlich steht - für soziale Gerechtigkeit und Solidarität, für humane Beziehungen und eine lebenswerte Umwelt. Dafür gilt es alle linken Kräfte zu sammeln.« Ob die PS in dieser neuen Linken eine Daseinsberechtigung habe, müsse sich, so Filippetti, erst noch erweisen.

Der ehemalige PS-Minister Jean-Marie Le Guen ist überzeugt: »Die PS ist bereits tot.« Auch Hamon scheint die Partei schon aufgegeben zu haben, er will Anfang Juli eine eigene »parteienübergreifende linke Bewegung« gründen, um »der extremen Linken nicht das Feld zu überlassen«. Dort sieht PS-Politiker Julien Dray einen der Schuldigen für die Niederlage seiner Partei. »Mit seinem Alleinvertretungsanspruch hat Jean-Luc Mélenchon die Linke zerstört«, sagte er.

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