Musste sich Deutschland von den RAF-Morden distanzieren?

Tobias Riegel findet nicht, dass sich Muslime immer wieder von Islamisten-Terror distanzieren müssen

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 2 Min.

Will ein Dieb von sich ablenken, ruft er: »Haltet den Dieb!« Die christlich-westliche Wertegemeinschaft ist der mit Abstand wichtigste Geburtshelfer des islamistischen Terrors, wie wir ihn seit den 1970er Jahren kennen - und das direkt und indirekt: direkt durch ganz offene Terror-Unterstützung, von Osama Bin Laden in Afghanistan 1979 bis zur Al Qaida in Syrien seit 2011. Indirekt durch die Zerstörung zahlreicher muslimischer Gesellschaften durch (christlich geprägte) westliche Armeen. Die christlich-westliche Angriffsgemeinschaft erzeugt einerseits den für blinden Terror nötigen Hass durch hunderttausendfachen Mord und zerstörte Infrastruktur. Andererseits werden im Ausland massenhaft verzweifelte junge Männer ausgebildet und ausgerüstet, um die Drecksarbeit bei den blutigen Umstürzen des Westens zu übernehmen. Man rechtfertigt den kranken und barbarischen Islamisten-Terror gegen Zivilisten nicht, indem man seine Wurzeln benennt.

Die meisten Opfer dieses Terrors sind Muslime. Da ist es perfide, wenn dominante Stimmen aus jenem Täter-Westen (und seien es Muslime) von Muslimen verlangen, sich der westlichen Weißwaschung zu unterwerfen, nur weil sie Muslime sind. Wenn es bei diesen Aufrufen nicht um Ablenkung ginge, sondern um eine angemessene Reaktion auf Gewalt, dann müssten sich die westlichen Kirchen, Politiker, Medien im Sekundentakt von den zahllosen Morden »unserer« Armeen distanzieren. Die Muslime müssen sich nicht für jeden einzelnen Irren aus ihren Reihen verantworten. Musste sich die deutsche Bevölkerung eigentlich von den RAF-Morden distanzieren?

"Nicht mit uns"

Unter dem Motto »Nicht mit uns« soll die Kölner Demonstration laut den muslimischen Veranstaltern ein »mächtiges Zeichen gegen Gewalt und Terror« setzen. Angestoßen wurde der Protestmarsch von der Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und dem muslimischen Friedensaktivisten Tarek Mohamad. Erwartet werden rund 10 000 Teilnehmer. Ausdrücklich sind Menschen aller Glaubensrichtungen eingeladen. Der türkische Islamverband Ditib hatte sich am Mittwoch von der Demonstration distanziert. Forderungen nach »muslimischen« Anti-Terror-Demos griffen zu kurz, erklärte Ditib. Dies stigmatisiere Muslime und verenge den internationalen Terrorismus auf sie. epd/nd

Man soll »den Islam« nicht aus der Pflicht entlassen, sich zivilisatorisch zu entwickeln. Es sind aber zuerst westliche Vernichtungsorgien, die im Nahen Osten Entwicklung abwürgen. Auch das soll keinen Muslim oder Nichtmuslim hindern, gegen feigen Terror zu demonstrieren. Aber die separate In-die-Pflicht-Nahme friedlicher Muslime durch westliche Propaganda ist unerträglich. Auch wenn nun Muslime aufrufen: Deutsche Muslimverbände müssen sich nicht (immer wieder) vom Terror distanzieren. Sie sind nicht der Schoß, aus dem das kroch. Ohne Irak, Syrien, Libyen, Jemen, Afghanistan hätten die Hassprediger nichts zu predigen.

Ein Kontra zu dieser Position lesen sie hier.

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