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Poroschenko scharf gegen Moskau

Der Präsident will sich mit Blick auf die Wahlen 2019 bei den »Patrioten« profilieren

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Gegen die Ostsee-Pipeline Nordstream 2 als »Werkzeug russischer Aggression« wetterte am Donnerstag in Brüssel der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Sogar von einem geglückten Coup war nach seinem Besuch am Dienstag im Weißen Haus beim US-Amtskollegen Donald Trump die Rede. Es gab nicht nur Fotos, sondern auch neue Sanktionen gegen Russland. Dafür hatte der Gast aus Kiew einmal mehr geworben.

Seit seiner Wahl zum Präsidenten im Mai 2014 griff Poroschenko Russland schon immer hart an. Allerdings eher nur verbal. Schließlich konnte er als Staatsoberhaupt nicht das umsetzen, was Hardliner ohne wichtigen Staatsposten forderten. Außerdem hat der 51-Jährige zur Lösung des Donbass-Krieges viele Hoffnungen auf das sogenannte Normandie-Format gesetzt, in dem neben der Ukraine, Deutschland und Frankreich auch Russland vertreten sind.

Doch nun erfolgt eine Radikalisierung. Grundsätzlich begann sie in diesem Jahr bereits, als der von Poroschenko geführte Sicherheitsrat entschied, die so genannte Donbass-Blockade offiziell umzusetzen. Proukrainische Aktivisten hatten seit Anfang des Jahres 2017 gefordert, den Handel mit abtrünnigen Gebieten im Osten der Ukraine einzustellen.

Mitte Mai erweiterte die Ukraine ihre Sanktionsliste gegen Russland. Dabei wurden führende Webseiten und soziale Netzwerke wie VK und Odnoklassniki sowie die Suchmaschinen Mail.ru und Yandex von Kiew gesperrt. Zuletzt setzte das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, eine weitere umstrittene Entscheidung durch: 75 Prozent der Sendezeit im ukrainischen Fernsehen sollen nun auf Ukrainisch laufen. Russisch wird in der Ukraine mindestens genauso wie Ukrainisch gesprochen, bleibt auf den Bildschirmen aber kaum noch vertreten.

Auf der sprachlichen Ebene wurde außerdem noch einen Gesetzentwurf erarbeitet, der den Gebrauch der ukrainischen Sprache als Staatssprache regeln soll - und der noch schärfer ist als der Entwurf, der bereits früher für viel Wirbel sorgte. Weil das Gesetzesprojekt mehr als 70 Abgeordnete unterschrieben, darunter auch solche von der Poroschenko-Fraktion, gibt es wenig Zweifel, dass das Gesetz in der einen oder anderen Fassung durch die Rada kommt. Es würde Ukrainisch zur einzigen Sprache im offiziellen Raum der Ukraine machen.

Ein deutlich heißeres Thema ist aber die mögliche Einführung der Visapflicht mit Russland. Zwar haben sich Poroschenkos Präsidialverwaltung sowie Außenminister Pawlo Klimkin, der dem Präsidenten nahesteht, geweigert, diesen Schritt zu gehen. Doch der Druck aus der Politik wird größer, hochrangige Offizielle wie der Chef des Sicherheitsrates Olexander Turtschynow oder Rada-Vorsitzender Andrij Parubij werben aktiv dafür. Nun betont auch Klimkin, dass das Außenministerium zu einem solchen Schritt bereit wäre, obwohl man weiterhin alle möglichen Risiken berücksichtigen müsse - auch die, die insbesondere die Halbinsel Krim betreffen würden.

»Wir alle sehen, wie sich Russland in seiner Außenpolitik verhält. Nicht nur im Falle der Ukraine, sondern auch mit der Einmischung in den Wahlkampf in Frankreich oder in den USA«, sagte Poroschenko. Gerade mit einer vermeintlichen »Cybergefahr aus Russland« erklärte der ukrainische Präsident seine umstrittene Entscheidung, eine Reihe russischer Webseiten zu sperren.

Der Kiewer Politologe Dmytro Kornijtschuk erkennt andere Gründe: »Der Präsident sieht, dass seine Umfragewerte kontinuierlich fallen. Daher versucht er nun, den patriotischen Teil der Bevölkerung zu gewinnen. Ob das allerdings gerade bei Poroschenko glaubwürdig erscheint, ist äußerst fraglich.«

Für den Präsidenten beginnt tatsächlich die Phase, in der er auf Umfragewerte achten sollte. Denn bis zur Präsidentschaftswahl bleiben nur noch zwei Jahre. Wie sehr diese Tatsache die Beziehungen zwischen Kiew und Moskau beeinflussen wird, dürfte man in den nächsten Monaten erfahren. Dass Poroschenko die Aufhebung der Visapflicht mit der EU mit den Verszeilen des russischen Dichters Michail Lermontow »Auf Wiedersehen, ungewaschenes Russland« feierte, dürfte die Richtung zeigen.

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