Handzahme Parteilinke

Die SPD diskutiert über die Vermögensteuer. Einige Genossen wünschen sich hierzu eine vage Formulierung im Programm

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Derzeit ist es nicht leicht, ein linker Sozialdemokrat zu sein. Die Parteiführung um den Vorsitzenden Martin Schulz hat erst wenige Tage vor dem Bundesparteitag in Dortmund die kontroversen Teile des Wahlprogrammentwurfs vorgestellt, der am Sonntag von den Delegierten verabschiedet werden soll. Nun bleibt nicht mehr viel Zeit für den linken Flügel, um noch eigene Vorstellungen in der Steuer- und Rentenpolitik unterzubringen. Eine ausführliche Debatte über das gesamte Programm ist beim Parteitag nicht vorgesehen. Vielmehr soll die Rede von Schulz im Mittelpunkt stehen.

Die Vorsitzende des linken SPD-Vereins DL 21, Hilde Mattheis, hofft trotzdem noch auf Änderungen. Sie hat Anträge vorgelegt, wonach unter anderem das Rentenniveau bei mindestens 50 statt 48 Prozent stabilisiert werden soll. Zudem fordert Mattheis, die Wiederbelebung der Vermögensteuer im Wahlprogramm zu verankern. Die Einkünfte würden den Ländern zustehen. Ähnlich hat sich der Chef der SPD-Bundestagslinken, Matthias Miersch, geäußert. Auch die Jusos und ihre Vorsitzende Johanna Uekermann wollen nicht auf die Vermögensteuer verzichten.

Doch die Parteilinken scheuen große Kontroversen. Ihre Kritik formulieren sie meist vorsichtig. Allenthalben ist zunächst einmal Lob für das Steuerkonzept zu hören, das Schulz zu Beginn dieser Woche mit zwei seiner Stellvertreter, dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz und dem hessischen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel, vorgestellt hat. Auch Mattheis schwärmt, dass der Wahlkampf mit Schulz »lebendiger« sei als noch vor vier Jahren mit dem damaligen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. »Das Thema Gerechtigkeit können wir mit voller Überzeugung präsentieren«, meint die Bundestagsabgeordnete. Direkte Attacken auf Schulz sind in der SPD tabu. Offensichtlich ist die Sorge groß, dass interne Streitigkeiten dazu führen könnten, dass die Partei in den Umfragen weiter abrutscht.

Mürbe Linke?

Dabei gäbe es jede Menge Kritikpunkte an den Inhalten des Spitzenmanns der Sozialdemokraten. Seine Forderungen fallen in mehreren Punkten hinter das Programm zurück, das sich die Partei vor der Wahl 2013 gegeben hat und das die SPD-Linke eigentlich komplett verteidigen wollte. Das betrifft nicht nur die Abkehr von der Vermögensteuer. Auch beim Spitzensteuersatz sind die Genossen inzwischen zurückhaltender. Er sollte 2013 noch auf 49 Prozent für zu versteuernde Einkommen ab 100 000 Euro im Jahr erhöht werden.

Nach dem neuen SPD-Konzept sollten Menschen mit einem solchen Einkommen 45 Prozent statt bisher 42 Prozent Spitzensteuersatz zahlen. Ein um drei Prozentpunkte höherer Steuersatz sollte für zu versteuernde Einkommen von 250 000 Euro gelten. Zugleich sieht das Konzept vor allem Entlastungen für Angehörige der Mittelschicht und einige Gutverdiener vor. Fraglich bleibt also, wo das Geld für die sozialdemokratischen Investitionen in Schulen, Infrastruktur und den sozialen Wohnungsbau herkommen soll, wenn die Partei zugleich an der schwarzen Null festhalten sollte.

Die SPD-Linke hat sich mit dem Großteil des Steuerkonzepts abgefunden. Bei der Vermögensteuer will sie zudem vage bleiben und sich nicht darauf festlegen, wann sie greifen und wie hoch der Prozentsatz der Steuer sein soll. Es scheint, als habe der ewige Kampf um die programmatische Ausrichtung der Partei einige linke Sozialdemokraten inzwischen mürbe gemacht. Sie wissen, dass wegen der Stärke des konservativen Flügels in der SPD derzeit im besten Fall Kompromisse erzielt werden können. Wie ernst diese dann in der Regierungspolitik genommen werden, ist eine andere Frage.

Zentrale sozialdemokratische Projekte wurden in dieser Legislaturperiode verwässert, wie etwa die Ausnahmen beim Mindestlohn gezeigt haben, oder sie fallen ganz unter den Tisch wie das Steuerkonzept der SPD von 2013. Das führte verständlicherweise zuweilen zu Frust. Vor drei Jahren bezeichnete Mattheis den Mindestlohn als »roten Apfel, der auf einer Seite verfault ist«. Später revidierte sie diese Aussage.

Stegner baut Einfluss aus

Trotzdem wurde Mattheis von vielen Genossen für ihre Bemerkung kritisiert. In der Parteilinken versuchen seitdem diejenigen die Oberhand zu gewinnen, die den Kompromissen innerhalb der Partei und in der Koalition weniger kritisch gegenüberstehen. Selbst wenn diese faktische Niederlagen für die SPD-Linke bedeuten. Diese Haltung wird vor allem von Parteivize Ralf Stegner vertreten. Er versucht, seinen Einfluss durch die Gründung neuer Netzwerke oder Dachverbände im linken Parteiflügel auszubauen.

Im November 2014 wurde die nach ihrem Gründungsort benannte »Magdeburger Plattform« ins Leben gerufen. An deren Spitze stehen Stegner, Miersch und Uekermann. Sie wollen die Arbeit der organisatorisch zersplitterten SPD-Linken koordinieren. Mattheis und ihr basisdemokratisch organisierter Verein DL 21 sollten in das Projekt integriert werden. Wegen ihrer dezidiert linken Äußerungen war für Mattheis aber keine herausgehobene Position in der Plattform vorgesehen.
Doch sonderlich einflussreich scheint die »Magdeburger Plattform« nicht zu sein. Gemeinsame Papiere der drei Sprecher sind eine Seltenheit. Zudem vertraten sie in den vergangenen Jahren bei Konfliktthemen wie der Vorratsdatenspeicherung und dem Freihandelsabkommen CETA unterschiedliche Haltungen.

Vermögensteuer für den Wahlkampf

In der Steuerpolitik könnte sich die Parteilinke nun immerhin zu einem gemeinsamen Vorgehen zusammenraufen. Die Wiederbelebung der Vermögensteuer ist ein gemeinsames Ziel der DL 21 und der Führung der »Magdeburger Plattform«. Am Samstag kommt der SPD-Vorstand zu letzten Beratungen vor dem Parteitag zusammen. Die Vermögensteuer soll dann auf der Tagesordnung stehen. Denkbar sind zwei Szenarien. Einiges spricht dafür, dass die engere SPD-Führung bei der Antragsdebatte so siegessicher ist, dass sie die Änderungswünsche ihrer linken Genossen abschmettert und diese eventuell von den Delegierten abstimmen lässt.

Möglich ist aber auch, dass sich beide Seiten am Samstag auf eine Kompromissformulierung einigen, um die Harmonie beim Parteitag nicht zu stören. So könnte die SPD fordern, die Vermögensteuer zu prüfen. Die Chancen, dass die Steuer dann tatsächlich wiederbelebt werden könnte, wären allerdings gering. Die Vermögensteuer würde wohl nur zu Wahlkampfzwecken dienen.

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