Wo sich am Dorf der Boden senkt

Im ostfriesischen Etzel bereitet ein Gas- und Öllager Sorgen - Minister stoppt Erweiterung

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Im 800-Einwohner-Ort Etzel im Nordosten Niedersachsens sind die Ängste groß: In einem Salzstock unter dem Dorf befindet sich eine der größten künstlichen Erdöl- und Erdgaslagerstätten Europas - und sie birgt nach Ansicht der Bewohner gleich mehrere Gefahren. Schon seit 1970 war in Etzel damit begonnen worden, das Salz in etwa 1000 Metern Tiefe auszuspülen, um Hohlräume zu schaffen, sogenannte Kavernen. Inzwischen sind 52 von ihnen befüllt, 29 davon mit Gas und 23 mit rund zehn Millionen Kubikmetern Öl, das dort als »Notreserve« nicht nur für Deutschland ruht.

Mit Sorge blicken Bürgerinnen und Bürger besonders auf die technischen Einrichtungen am oberen Ende der Gaslager, die »Kavernenköpfe«. Werden sie durch irgendeinen Schaden undicht, so wird befürchtet, tritt das unter einem enormen Druck stehende Gas aus, verbindet sich mit der Außenluft zu einem explosiven Gemisch - und dann reicht ein Funke, womöglich auch ein Stück heißes Metall, um das Ganze zu entzünden. Der Explosion würde ein Feuer folgen, das wegen des ständig nachströmenden Gases kaum unter Kontrolle zu bringen wäre. Und das nächste Haus in Etzel wäre nur 90 Meter entfernt. Das Bergamt und auch die Betreiberfirma der Lagerstätte, die Storag GmbH, halten einen solchen »Störfall« für ausgeschlossen. Mehrere Sicherheitsbarrieren, so das Unternehmen, verhinderten ein unkontrolliertes Ausströmen des Gases. Auch sei ein Abstand der Kavernenköpfe von 90 Metern zur Bebauung ausreichend. Den Bewohnern reicht das nicht, sie fordern eine Distanz von mindestens 500 Metern.

Doch nicht allein ein unkontrolliertes Gasausblasen fürchtet man in Etzel. Wegen der Hohlräume im Salzstock senkt sich das Gelände rund um die Öl- und Gaskavernen - in 100 Jahren laut aktueller Prognose um 2,48 Meter. Dies könnte erhebliche Schäden an den Häusern verursachen, heißt es. Vor allem, falls immer mehr Kavernen ausgespült würden. Immerhin hat das Landesbergamt 99 solcher Hohlräume genehmigt, die mehrere hundert Meter hoch sein können. Der Betreiber hatte sogar eine Genehmigung für 144 Kavernen beantragt.

Doch diese Pläne kann die Storag in die Schublade packen. »Es wird nicht mehr als die 99 genehmigten Kavernen geben, weitere werden wir nicht erlauben«, versprach Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) jetzt bei einem Treffen von Bürgern, Betreiberfirma und Bergbehörde in Etzel. Das Nein zu einer Erhöhung der bewilligten Kavernenzahl sei »eine klare Aussage« von ihm als Ressortchef, so der Minister.

Mit allen zu erwartenden Auswirkungen der Lagerstätte auf das Dorf, seine Menschen sowie auf Tier- und Pflanzenwelt wird sich nun ein Gutachten befassen, das Lies in Auftrag gegeben hat. Von den Aussagen der voraussichtlich in drei Monaten vorliegenden Expertise will er weitere Schritte abhängig machen. Denkbar wäre beispielsweise, dass der Sicherheitsabstand zwischen Kavernenköpfen und Häusern neu festgelegt wird. Klären muss die Analyse auch, welche Folgen die Bodensenkung hat, sagte der Minister und bekräftigte: »Für etwaige Schäden an den Gebäuden wird der Betreiber aufkommen.«

Doch noch eine Sorge bedrückt die Menschen in Etzel: »Müssen wir hier weg?«, fragte ein Bewohner beim Treffen den Minister. Im Zusammenhang mit dem Lagerbetrieb hatte er wohl das Gespenst möglicher Enteignung vor Augen. »Nein - nicht der Bürger muss weichen«, betonte Lies.

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