So fair ist Deutschland

Verbraucher kaufen Fairtrade-Produkte wie noch nie

Kaffee gehört schon seit Jahren zu den Fairtrade-Produkten, die den Weg in den konventionellen Einzelhandel gefunden haben.
Kaffee gehört schon seit Jahren zu den Fairtrade-Produkten, die den Weg in den konventionellen Einzelhandel gefunden haben.

Neun von zehn Verbrauchern in der Bundesrepublik kennen Fairtrade. Dabei gibt es durchaus kulturelle Unterschiede zwischen Ost und West. In Ostdeutschland setzen Menschen stärker auf nachhaltigen »Konsum«, verwerten beispielsweise Reste vom Braten am nächsten Tag als Würzfleisch oder Soljanka. Im Westen setzt man stärker auf nachhaltigen »Kauf« und lässt es frei nach Erich Fromm mit dem Haben genug sein. Bei den Werten zielen faire Ossis stärker auf den »Nahbereich«, also Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit in der unmittelbaren Lebenswelt, hat Marktforscher Robert Kecskes festgestellt. Westdeutsche Fairtrade-Käufer schauen derweil lieber in die weite Welt hinaus. Solche Abweichungen sollten allerdings nicht überbewertet werden, in absoluten Zahlen liegen Ost und West nur wenige Prozentpunkte auseinander.

Gleiches gilt für die kulturellen Unterschiede zwischen Stadt und Land. »In Deutschland gibt es grundsätzlich ein hohes Verbraucherinteresse am fairen Handel«, bestätigt Robert Kecskes von Yougov. Das international tätige Marktforschungsinstitut hat im Auftrag von Fairtrade Deutschland gefragt: »Wie fair ist Deutschland?« Weitere Antworten gibt der im Internet veröffentlichte »Fair Atlas«.

Der Vorstand von Fairtrade sieht sich auf einem erfolgreichen Weg. Fairtrade-Produkte wie Kaffee, Bananen und Rosen seien keine Nischenprodukte mehr, berichtete Benjamin Drösel in dieser Woche auf der Jahrespressekonferenz in Köln. Vor allem die Umsätze mit Discountern und Supermärkten hätten kräftig zugelegt. Insgesamt stieg der Umsatz mit Fairtrade-Produkten in Deutschland 2024 um 13 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Ein neuer Rekord, wenngleich die Inflation diesen begünstigt hat. Doch auch der Absatz wuchs kräftig – mit 5 Prozent so stark wie seit Jahren nicht mehr. Für 2025 ist man optimistisch.

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Im Ergebnis liegt der Marktanteil von Fairtrade-Kaffee in Deutschland immerhin schon bei 5,3 Prozent, der von Kakao sogar bei rund 21 Prozent. 16 Prozent der hierzulande verkauften Bananen tragen das Fairtrade-Siegel, bei Rosen sind es sogar 44,5 Prozent. Fairtrade bietet seinen Bauern und Kooperationspartnern in Entwicklungs- und Schwellenländern eine Prämie, die zusätzlich zum marktüblichen Verkaufspreis gezahlt wird. Die Prämie soll Investitionen in die Zukunft ermöglichen.

Gleichzeitig sieht sich die internationale Organisation als Berater vor Ort. Dort sorgen sich Produzenten, darunter genossenschaftliche Kooperativen, wegen des bürokratischen Aufwandes, den ihnen deutsche und europäische Lieferkettengesetze bescheren. Zusammen mit Wirtschaftspartnern und staatlichen Geldgebern bietet Fairtrade daher Schulungen an, damit Kaffee, Bananen und Rosen auch künftig auf dem deutschen Markt verkauft werden dürfen. Dazu gehört ein Fonds, der den Mehraufwand finanzieren soll. Ein heikles Thema, das Akteure in aller Welt am World Fair Trade Day (Welttag des fairen Handels) bewegen dürfte.

Produkte mit dem Fairtrade-Siegel stehen bundesweit für etwa 80 Prozent aller Umsätze des fairen Handels. Im Vergleich dazu sind die Weltläden kleine Spieler, deren Umsatz im vergangenen Jahr deutlich unter 100 Millionen Euro gelegen haben dürfte. Diese Fachgeschäfte, die früher »Dritte-Welt-Laden« hießen, gelten als ursprüngliche Quelle des fairen Handels. Erste Geschäfte entstanden zu Beginn der 70er Jahre. In mehreren Ländern protestierten vor allem junge Menschen gegen die wachsende Ungerechtigkeit im Welthandel. Eine neue Bewegung war entstanden. Heute gibt es in der Bundesrepublik 900 Weltläden, und Abertausende Menschen engagieren sich dafür ehrenamtlich.

Ebenfalls Mitte der 70er Jahre wurden die ersten Importorganisationen gegründet. GEPA, El Puente und Globo gehören noch heute zu den größten Fair-Handels-Unternehmen.

Doch genug war auch im fairen Handel nicht genug. Produzenten forderten größere Absatzmengen. Nach und nach boten Fairtrade und andere Fair-Handels-Unternehmen ihre Produkte auch in Bioläden, Reformhäusern sowie im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel an. Seit einigen Jahren finden sich fair gehandelte Produkte auch in den Regalen der Discounter. Unumstritten ist dies in der Szene bis heute nicht. Schließlich ging den Weltläden ihr Alleinstellungsmerkmal verloren.

An diesem Samstag wird dennoch nicht allein der World Fair Trade Day gefeiert, sondern auch der Weltladentag. Unter dem Motto »Schoki fürs Klima? Kauf ich euch ab!« macht die Weltladen-Bewegung auf die negativen Folgen der Klimakrise für den Kakaoanbau aufmerksam. 

Informationen über die Kakao-Kampagne des Weltladen-Dachverbandes unter:
www.weltladen.de/kampagne

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