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Hochrüstung auf See
Militärschifffahrt brummt, zivile maritime Wirtschaft steht vor Herausforderungen
»Gerne würden wir die Boote schneller abliefern«, sagte der Geschäftsführer der Bremer Werftengruppe NVL, Tim Wagner, während der Taufzeremonie der Korvette »Augsburg«. Sie fand vergangenen Donnerstag auf dem Werftgelände von Blohm+Voss in Hamburg statt. Das »Boot« ist eines von vier Kriegsschiffen der Baureihe, die, obwohl bereits getauft, von der deutschen Marine noch nicht in Dienst gestellt werden konnten.
An welchen technischen Problemen die teils jahrelange Verzögerung liegt, ist unbekannt. Aus Bundeswehrkreisen war auf dem dreitägigen Deutschen Schifffahrtstag in Hamburg von einer »industriell bedingten Verzögerung« die Rede. Dabei sind die Auftragsbücher der großen deutschen Marinewerften in Bremen, Kiel, Wismar und Warnow mehr als voll. Die Marine will bis 2029 »kriegstüchtig« werden.
Die »Zeitenwende« des ehemaligen Bundeskanzlers Olaf Scholz hat auch die Hafenwirtschaft erreicht. Bundeswehrsoldaten übten im Sommer im Hamburger Hafen schon einmal den Verteidigungsfall unter dem Namen »Red Storm Alpha«. Im September steht die nächste Übung an. Im Ernstfall würde Deutschlands größter Hafen eine zentrale Rolle als Aufmarschgebiet der Nato einnehmen.
Schifffahrtstag ersetzt Maritime Konferenz
Die Lieferschwierigkeiten der Marinewerften wären eines der Themen der Nationalen Maritimen Konferenz (NMK) in Emden gewesen. Die für diese Woche angekündigte Veranstaltung wurde jedoch aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen in den Herbst verschoben. Ein Hochamt für Vorstände und Gewerkschafter, Wissenschaftler und Politiker. Die Konferenz steht unter Schirmherrschaft des Bundeskanzlers und findet seit der Jahrtausendwende alle zwei Jahre statt. Der damalige Kanzler Gerhard Schröder hatte in die niedersächsische Hafenstadt Emden geladen.
Als eine Art Ersatz sprang der Deutsche Schifffahrtstag ein. Die maritime Wirtschaft sei »von strategischer Bedeutung für den Industrie- und Hochtechnologiestandort Deutschland«, so das Bundeswirtschaftsministerium. Laut Koalitionsvertrag von Unionsparteien und SPD will sich die Regierung unter Friedrich Merz für »eine europäische maritime Strategie« einsetzen, welche die Wettbewerbsfähigkeit des Schiffbaus, der Schiffsbauzulieferer und der maritimen Technologien stärke.
Zivile maritime Wirtschaft vor Problemen
Die Probleme in der zivilen maritimen Wirtschaft sind groß. Hamburg, das selbsternannte Tor zur Welt, verliert wie auch Bremen immer mehr den Anschluss an die beiden europäischen Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen. Teils, weil wichtige Kunden etwa aus Russland ausfallen, teils weil Ladungen in das traditionelle Hinterland, Polen und der Ostseeraum, zunehmend an den deutschen Häfen vorbeifließen. Zudem gilt die Infrastruktur in Teilen als marode, auch weil der Bund nur wenige Millionen Euro in die Standorte investiert. Während Rotterdam jährlich rund eine Milliarde Euro aus der Staatskasse erhält, wie es heißt.
Die deutschen maritimen Unternehmensverbände fordern nun zusammen mit dem Industrieverband BDI wenigstens eine »zügige Umsetzung« der im Koalitionsvertrag beschlossenen Erleichterung bei der Einfuhrumsatzsteuer für Importeure.
Steuergeschenke und Tarifflucht auf See
Probleme bereitet auch die Flagge. Deutsche Reedereien, die in den vergangenen Jahren dank der günstigen Tonnagesteuer Milliardengewinne verbuchten, lassen ihre Schiffe zum überwiegenden Teil nicht unter deutschen Flaggen registrieren. Zurzeit fahren nur noch 258 von insgesamt 1655 Handelsschiffen unter Schwarz-Rot-Gold.
Das ist »Tarifflucht auf See«, sagt Maren Ulbrich, Expertin der Gewerkschaft Verdi. Die Entwicklung führe außerdem zu einem Verlust an maritimem Know-how, das in Häfen und Werften dringend benötigt werde. Von der günstigen Steuer sollten zukünftig nur Reeder profitieren, welche die Bundesflagge führen und einheimische Seeleute ausbilden, fordert die Gewerkschaft.
Managementfehler belasten etwa die Meyer-Werft in Papenburg – Weltmarktführer bei dem Bau von Kreuzfahrtschiffen. Trotz voller Auftragsbücher drohte die Pleite. Rund 400 Millionen Euro Steuergeld sind im vergangenen Jahr in die Werft geflossen, hinzu kamen Bürgschaften in Milliardenhöhe.
Auch vor dem Hintergrund wartet die maritime Wirtschaft mit Spannung auf Antworten der neuen Bundesregierung. Gefordert ist jene zunächst bei Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), Weltmarktführer bei konventionellen U-Booten. Die U-Boot-Bauer in Kiel und Wismar freuen sich gerade über einen weiteren Milliardenauftrag, dieses Mal aus Singapur. TKMS startet im Juni einen neuen Markenauftritt. Das sei ein Meilenstein auf dem Weg zur »Verselbstständigung«. Der wirtschaftlich erfolgreiche Rüstungskonzern will raus aus dem stählernen Thyssenkrupp-Verbund. Private Investoren stehen offenbar bereit. Erwartet wird, dass sich der Bund ebenfalls beteiligt und eine Sperrminorität erwirbt.
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