Einem Echo folgt immer das nächste
Zwischen Krach und Glaubwürdigkeit: Tom Strohschneider über rot-rote Streitkultur und die Rolle von Kompromissen
Es ist das Einfache, das schwer zu machen ist. Nein, es geht hier nicht um Kommunismus, sondern um etwas Naheliegenderes, das doch in immer weitere Ferne zu rücken scheint: die Möglichkeit, bei Bundestagswahlen politische Veränderung zu erreichen, die einen Fortschritt gegenüber dem Status quo darstellen. Dazu wären Mehrheiten nötig, mehr noch eine Wechselstimmung, und vor allem die Bereitschaft von Parteien, das, was gemeinsam erreichbar ist, nicht ausschließlich am Abstand zu den eigenen Maximalzielen oder ideologisch geprägten Grenzlinien zu messen.
Man darf sagen: An alledem fehlt es derzeit, und was an politischer Gymnastik zu beobachten ist, spricht nicht sehr dafür, dass sich daran bis zum Herbst noch etwas ändert.
Nach dem SPD-Parteitag keilten Politiker der Linkspartei gegen die Sozialdemokraten, als läge in dieser Betätigung die größte Aussicht darauf, selbst mehr Zustimmung zu erreichen. Das Ganze ist auch eine Reaktion auf jene hochnäsigen Rufe aus der SPD, die nach dem Linksparteitag ihrerseits nichts Besseres zu tun hatten, als allerlei Herabwürdigungen loszuwerden. Und auf das Echo des Echos folgt: wieder ein Echo. Ihr seid für immer und ewig regierungsunfähig, posaunen die einen. Ihr seid für immer und ewig an der Agenda Schuld, trompeten die anderen. (Wer erinnert sich an dieser Stelle daran, dass einst der PDS auch ständig ihre Vergangenheit vorgeworfen wurde, und diese dann ganz zu Recht darauf verwies, dass Politik dort ihre Grenze finde, wo man nicht mehr für möglich hält, der andere könnte sich verändern?)
Natürlich heißt Wahlkampf nicht, sich gegenseitig mit Wattebäuschen zu bewerfen, um mal einen führenden Sozialdemokraten zu zitieren. Es geht um das Leben von Leuten, die nicht Politiker sind. Wer sich ansieht, wie sich so viele von denen auf eine Politik der Reflexe beschränken, zurechtgemacht für mediale Funktionsweisen, kann daran zweifeln, dass auch sie das so sehen.
Sahra Wagenknecht ist jedenfalls in einem Punkt zuzustimmen: »So mobilisiert man auch keine Wähler.« Die Linksfraktionschefin zielte damit auf die SPD. Doch bleibt der Satz auch umgekehrt richtig. Die Linkspartei hat mit der Forderung ja recht, auch große Vermögen wieder deutlich stärker zu besteuern, wenn wirksam etwas gegen Ungleichheit getan werden soll. Aber taugt die Kritik an der SPD-Verweigerung in Sachen Vermögensteuer, wenn die LINKE mit dieser Forderung auch nur zehn Prozent der Wähler hinterm Ofen hervorlockt? Das soll die treue Anhängerschaft nicht gering schätzen, in einem Wahlkampf geht es aber nicht nur darum, die Leute zu mobilisieren, die man schon hat, sondern vor allem darum, neue zu gewinnen.
Die SPD-Oberen wiederum lassen seit dem Frühjahr auch wieder keine Gelegenheit aus, die Linkspartei abzumeiern. Damals setzte den SPD-Aufstieg erfolgreich die Erzählung in die Welt, die Aussicht auf Rot-Rot-Grün würde eher die Anhänger von Angela Merkel in die Stimmlokale treiben. Nur: Hat sich denn etwas zum Besseren verändert für die SPD, seit sie über dieses Stöckchen wieder täglich springt? Die Umfragen zeigen nur eine Richtung: abwärts.
Diejenigen, die sich redlich mühen, »eigene Inhalte« ins Zentrum zu stellen, dringen kaum durch. Und apropos Inhalte: Was soll man denn denken, wenn die eine Partei der anderen vorwirft, sie würde die mittleren Einkommen »kaum« entlasten, beim Vergleich der Forderungen dann aber herauskommt, dass das eigene Steuerkonzept eben jene mittleren Einkommen sogar noch weniger entlastet?
Kurzum: Die Art und Weise, in der zwei Parteien übereinander sprechen, die gleichermaßen der sozialdemokratischen Matrix angehören, weil sie beide durch parlamentarische Betätigung Verbesserungen für die abhängig Beschäftigten (und andere) erreichen wollen, trägt zu allerlei bei, aber nicht zur Mehrung der Zustimmung im Block links von Merkel. Im übrigen auch nicht zur Verschiebung von relevanten Anteilen zwischen SPD und Linkspartei, also auch nicht zwischen der Idee, innerhalb des Kapitalismus voranzukommen, und dem utopischen Überschuss, ihn zu überwinden.
Demokratie verlangt nach Kompromissen. Wer dabei zu weit geht, das wird oft behauptet, verliere seine Glaubwürdigkeit. Man könnte die Richtigkeit dieser Regel einmal daran überprüfen, wie es umgekehrt läuft: Die zur Schau getragene Kompromissunfähigkeit von SPD und Linkspartei hat viel Krach gemacht, aber hat sie zu wachsender Glaubwürdigkeit der beiden beigetragen?
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