Weihnachtsgebäck mit Nagerkot

Foodwatch kritisiert Hygienemängel in Bäckereien und fordert mehr Transparenz

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Schimmel, Mäusekot, Käferbefall und Fremdkörper in Backwaren - in mehreren Großbäckereien in Bayern herrschten über Jahre hinweg ekelerregende Zustände. Das ergeben jedenfalls die Kontrollberichte der Lebensmittelbehörden, die die Verbraucherorganisation Foodwatch am Mittwoch in München vorstellte. Doch die Behörden hätten die Verbraucher über die Zustände nicht informiert. Die politisch Verantwortlichen »haben sich der Beihilfe schuldig gemacht«, sagte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker an die Adresse von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, die bayerische Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf und Bundesernährungsminister Christian Schmidt (alle CSU). Foodwatch fordert eine Veröffentlichung von Kontrollergebnissen ähnlich wie in Dänemark und die Einführung dafür notwendiger rechtlicher Rahmenbedingungen. Das Hygieneproblem in Bäckereien sei dabei nicht auf Bayern beschränkt: »Wir hätten uns auch jedes andere Bundesland aussuchen können«, so Rücker.

»Bei der sensorischen Untersuchung zeigte sich, dass auf dem Gebäck sowohl Fraßspuren erkennbar waren als auch Nagerkot. Die mikroskopische Untersuchung bestätigte diese Vermutung, der Nagerkot konnte anhand der gestreiften Nagerhaare identifiziert werden«, so heißt es in einem Gutachten für das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom Dezember 2016. Es handelt sich im konkreten Fall um »Feines Weihnachtsgebäck« der Bäckerei Bachmeier, die mehr als 500 Handelskunden in Bayern, Hessen und Österreich beliefert. In einem anderen Untersuchungsergebnis vom Juni 2014 geht es um »die morphologische Beschaffenheit des braunschwarzen Fremdkörpers, der in der Rinde« eines Schnittbrötchens gefunden wurde. Der Fremdkörper ist die »Kotpille eines Kleinsäugers« und wurde in einer Filiale des Unternehmens »Der Beck« gefunden.

Insgesamt 69 Kontrollen in acht bayerischen Großbäckereien zwischen 2013 und 2016 listet der Foodwatch-Report 2017 »Bayerisches Brot« auf. Normalerweise werden die Kontrollergebnisse des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nur dann veröffentlicht, wenn es sich um gesundheitsgefährdende Befunde handelt, bei ekelerregenden Hygienemängeln jedoch nicht.

Schuld daran ist nach Ansicht von Foodwatch die unklare Rechtslage: Die verantwortlichen Politiker hätten es versäumt, Rechtssicherheit für die Veröffentlichung von Kontrollergebnissen zu schaffen. Seehofer, Scharf und Schmidt hätten »zugesehen, wie die Schaben in den Backstuben Schuhplattler tanzen«, kritisiert Rücker. Denn die Lebensmittelüberwachung befinde sich in einem Dilemma: Einerseits müssen die bundesweiten Vorschriften des Lebensmittelgesetzes angewandt werden. Andererseits führten Veröffentlichungen von Behörden zu einer »regelrechten Klagewelle von Unternehmen«, die die Bekanntmachung verhindern wollten. Zwar steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2013, dass die Veröffentlichung der Hygieneberichte rechtssicher gemacht werden soll, passiert ist aber bisher noch nichts. Foodwatch verweist deshalb auf die Möglichkeit der Landesgesetzgebung hin. Einzig Nordrhein-Westfalen hat allerdings bisher ein entsprechendes Gesetz erlassen.

Als Vorbild nennt die Verbraucherschutzorganisation Dänemark. Dort hängen seit 2001 die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen an den Türen von Restaurants und Supermärkten aus und sind zudem im Internet abrufbar. Dadurch habe sich die Quote der Betriebe mit Beanstandungen halbiert. »Die Verbraucher haben ein Recht zu erfahren, wo es sauber zugeht und wo sich Kakerlaken und Mäuse die Klinke in die Hand geben«, sagt ein Foodwatch-Sprecher. Erst dann gebe es einen fairen Wettbewerb, in dem die sauberen Betriebe nicht länger die Dummen sein.

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