Kommission will mehr Geld

Günther Oettinger eröffnet Grundsatzdebatte über EU-Finanzen

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit seinem »Weißbuch zur Zukunft Europas« hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker im März den Versuch unternommen, unter den »EU-27« - gemeint ist die Union ohne Großbritannien - eine Reformdebatte anzustoßen. Seitdem wurden mehrere themengebundene »Reflexionspapiere« - zur sozialen Dimension der EU, zur Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion, zu Globalisierung und Verteidigung - veröffentlicht. Das fünfte und letzte »Reflexionspapier« legten am Mittwoch EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger und die Kommissarin für Regionalpolitik, Corina Cretu, vor. Es beschäftigt sich mit der Zukunft der EU-Finanzen.

Diese sollen neu aufgestellt werden. Der »Brexit« wird Angaben der Kommission zufolge jährlich eine Lücke von zehn Milliarden Euro im gemeinsamen Haushalt hinterlassen. Gleichzeitig kämen neue Ausgaben auf die EU zu. Genannt werden unter anderem die Bekämpfung von Migration (»europäischer Grenzschutz«) und der gemeinsame Fonds zur »Verteidigungsforschung«. Der aktuelle »Mehrjährige Finanzrahmen« der EU, der sich auf den Zeitraum 2014 bis 2020 erstreckt, umfasst circa eine Billion Euro. Immer wieder steht die EU dafür in der Kritik, dass sie Geld unsinnig verwende, beispielsweise zu 40 Prozent in Agrarsubventionen investiere oder hohe Summen in Prestigeprojekte flössen.

Das »Reflexionspapier« greift die Frage der Finanzen grundsätzlich auf. Auf 40 Seiten werden die Geschichte des EU-Haushalts und seine Zusammensetzung beschrieben. Und es werden verschiedene mögliche Szenarien für die Zukunft der EU-Finanzen skizziert. Sie reichen - analog zu Junckers »Weißbuch«-Szenarien - von »weniger gemeinsamem Handeln als bisher« zu »erheblich mehr gemeinsamem Handeln«.

In jedem Fall möchte Oettinger alle Länderrabatte abschaffen. Dies würde unter anderen Deutschland, Dänemark und Österreich betreffen. Auch sollen, wenn es nach dem EU-Kommissar geht, die Länder künftig mehr an die EU zahlen und ihr damit mehr Spielräume verschaffen. Dass er dieses Szenario präferiert, hat Oettinger in einem Interview mit dem »Spiegel« erklärt. Dort sagte er: »Wir lassen uns Europa zu wenig kosten.« Von 50 Euro, die die Bürger der Mitgliedsländer an den Staat gäben, gehe, so Oettinger, nur einer an die EU. In den USA hingegen seien es von 50 Dollar 30, die nach Washington gingen und 20, die in den Bundesstaaten verblieben.

Wofür die Eigenmittel in der Zukunft eingesetzt werden sollen, ist offen. An Vorschlägen - von der Bekämpfung der Kinderarmut über Klimaschutz bis hin zu Rüstungsprojekten - mangelt es aber in dem Papier nicht. Welche aufgegriffen werden, hänge davon ab, wie die weitere Debatte um die Grundausrichtung der EU verlaufe, so die Autoren.

Die Reaktionen auf das Papier fallen unterschiedlich aus. Manuel Sarrazin, Sprecher für Europapolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, begrüßte, dass die »EU-Kommission eine Debatte über die Zukunft der EU-Finanzen angestoßen hat«. Jens Geier, Vorsitzender der Europa-SPD, sagte, Vorschläge zur Reform der Eigenmittel fordere das Europäische Parlament schon lange. Kritik kam aus der Bundestagsfraktion der Linken: Mit dem Papier werde eine neue Grundausrichtung der EU-Entwicklung vorgeschlagen, die auf mehr Geld für Militär, Außenpolitik und Wettbewerbsfähigkeit und weniger Mittel für Kohäsions- , Sozial- und Agrarpolitik hinauslaufe. Dies lehne man ab, hieß es in einer ersten Einschätzung.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal