Werbung

Politik unterm Regenbogen

Der Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe erhält eine deutliche Mehrheit

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein Bild, das sich mancher Abgeordnete aus dem linken Spektrum öfter in dieser Legislatur gewünscht hätte. Am Freitagmorgen stimmen die Fraktionen von SPD, LINKEN und Grünen gemeinsam im Bundestag gegen die Union für einen Antrag. Daraufhin bricht in ihren Reihen Beifall aus. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bemerkt ironisch, dass »Begeisterungsstürme bei Geschäftsordnungsentscheidungen eher selten« seien. Allerdings handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Entscheidung, sondern um eine Erweiterung der Tagesordnung, die eine Debatte und die Abstimmung über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht.

Die Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann (SPD), Dietmar Bartsch (LINKE) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) werben unisono für die Akzeptanz von verheirateten homosexuellen Paaren. »Freuen Sie sich, dass Paare gemeinsam Kinder adoptieren wollen«, sagt Göring-Eckardt in Richtung der Union. Dies ist das einzige Recht, das Schwulen und Lesben noch vorenthalten wird. Der homosexuelle Grüne Volker Beck hat lange für diese Menschen gekämpft. Er senkt geschmeichelt den Blick, als seine Fraktionschefin ihm persönlich für sein Engagement dankt.

In der Union gibt es keine einheitliche Meinung zur sogenannten Ehe für alle. Fraktionschef Volker Kauder zählt zu den Gegnern. Er gibt sich aber versöhnlich. »Ich habe Respekt vor beiden Seiten«, erklärt der CDU-Politiker. Argumente für seine Position bringt Kauder nicht vor. Er verweist lediglich darauf, dass Verbindungen zwischen Mann und Frau »seit Jahrhunderten in unserem Kulturkreis als Ehe bezeichnet werden«. Zudem habe er verfassungsrechtliche Bedenken. Einige Unionspolitiker prüfen derzeit rechtliche Schritte gegen die Bundestagsentscheidung.

Dagegen wirbt Kauders Parteikollege Jan-Marco Luczak für eine Zustimmung. »Wir können somit bürgerliche und konservative Politik umsetzen.« Er betont »Werte wie Treue und Verlässlichkeit«, die in der Ehe gelebt würden. Letztlich stimmen 75 der 309 Unionspolitiker gemeinsam mit SPD, LINKEN und Grünen, die auch zu dritt eine Mehrheit gehabt hätten, für den Gesetzentwurf des Bundesrats, der lange im Rechtsausschuss gelegen hatte. Vier Abgeordnete der Union enthalten sich.

Einige Politiker treten das letzte Mal im Parlament auf. So werden etwa Lammert und Beck in der nächsten Wahlperiode nicht mehr im Bundestag sitzen. Gleiches gilt für die inzwischen fraktions- und parteilose Rechtsaußenfrau Erika Steinbach. Sie greift ihre frühere Parteikollegin Angela Merkel an, weil die Kanzlerin durch ihre Äußerung über eine mögliche Gewissensentscheidung die Abstimmung erst möglich gemacht hatte. Steinbach sieht einen Widerspruch zum Grundsatzprogramm der CDU, wonach die Ehe »das Leitbild von Mann und Frau« sei.

Aus einer anderen Perspektive wird die Kanzlerin von der SPD attackiert. »Ihr Verhalten war erbärmlich«, ruft Johannes Kahrs der auf der Regierungsbank sitzenden Merkel zu. »Seit 2005 haben Sie die Diskriminierung von Lesben und Schwulen hier unterstützt und haben nichts dafür getan, dass es zu einer Gleichstellung kommt.« Aus der Unionsfraktion sind Buhrufe zu hören. Der homosexuelle Sozialdemokrat setzt noch einen drauf: »Ehrlich gesagt, Frau Merkel, vielen Dank für nichts.«

Nach dem Votum der Abgeordneten gibt Merkel im Reichstagsgebäude ein Statement ab. »Ich habe nicht zugestimmt«, erklärt die CDU-Chefin. Daraufhin laviert Merkel zwischen konservativen und liberalen Ansätzen. Sie sei zur Überzeugung gelangt, dass die Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein sollte. »Doch der grundgesetzliche Schutz beinhaltet für mich die Ehe für Mann und Frau.« Merkel hofft, dass nun »ein Stück gesellschaftlicher Friede« einkehre. In ihrer Partei dürfte das Thema jedoch noch zu Kontroversen führen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal