Die Furcht am Rhein

TOM AUF TOUR

  • Lesedauer: 3 Min.

Spiegelglatt waren die Straßen. Die Wasserlachen auf dem Asphalt sorgten für Lichtreflexe auf den Scheibenrädern, die die meisten Profis hinten montiert hatten. Bange Blicke waren nach oben gerichtet, in den grauen Himmel über Düsseldorf. Der Grand Depart der Tour de France in Düsseldorf, der zugleich eine große Rückkehr des Radsports nach Deutschland darstellte, ging nicht im Regen unter. Etwa eine halbe Million Menschen waren nach Veranstalterangaben an den Straßenrand gekommen und trotzten dem Wasser von oben. Das war nur die Hälfte der erwarteten Zuschauerzahlen; dies verwunderte angesichts des schlechten Wetters aber nicht.

Für die Tour de France-Starter waren die Wetterkapriolen mehr als nur unangenehm. Die Mischung aus Nässe, Kurven und Straßenbahnschienen mahnte sie zur Vorsicht. Erst recht, nachdem die Kunde des schweren Sturzes von Alejandro Valverde die Runde gemacht hatte. Der Spanier rutschte in einer nicht besonders gefährlich aussehenden Kurve weg und krachte in die Absperrungen. Er verlor viel Blut; vor allem aber brach er sich die Kniescheibe. Damit war die Tour de France nach nur 8 km für ihn vorbei.

Valverdes Sturz ließ zahlreiche Fahrer vorsichtiger werden. »Ich bin die Kurven sicher nicht so schnell hineingefahren, wie ich das eigentlich geplant hatte«, meinte Tony Martin, einer der Favoriten für den Tagessieg, später. »Ich bin auf den nassen Straßen nicht volles Risiko gefahren«, erklärte auch Bora-Profi Emanuel Buchmann.

Noch stärker beeindruckt wirkte Richie Porte. Der Australier, wegen seiner Top-Vorstellungen in den letzten Wochen heißer Kandidat für ein Podium in Paris, war selbst Zeuge eines Sturzes. »Ich folgte Nicolas Roche zuerst noch im Auto. Ich sah, wie er zu Boden ging, und ich war wie versteinert«, sagte der BMC-Kapitän. Teamkollege Roche wusste später nicht, ob die Straßenbahnschienen oder ein Ölfilm Ursache des Sturzes gewesen waren. »Da waren Schienen, vielleicht war aber auch Öl verschüttet.«

Der belgische Ex-Weltmeister Philippe Gilbert hatte zuvor genau davor gewarnt. »Man muss vorsichtig sein bei einem solchen Stadtkurs. Überall sind Öl und Diesel. Besonders gefährlich ist es bei den weißen Fahrbahnmarkierungen.«

Weil viele Kollegen aber ehrgeizig waren an diesem ersten Tourtag, weil sie im Gesamtklassement keine Zeit verlieren wollten, weil sie vielleicht auch hofften, in den nächsten Tagen durch Zeitbonifikationen das gelbe Trikot zu erobern, kam es zu zahlreichen Stürzen. Bahrain-Meridas Mann fürs Klassement, der Spanier Ion Izagirre, musste ebenso wie Landsmann Valverde aufgeben. Rick Zabel kam bei seinem Tourdebüt ebenfalls zu Fall, konnte aber weiter fahren. Auch der Franzose Tony Gallopin, der Australier Luke Durbridge sowie gleich drei Fahrer des LottoNL-Jumbo-Teams ließen Haut auf dem Asphalt. Sie können sich immerhin damit trösten, schon jetzt fast die Hälfte ihres Sturzsolls bei der Tour geleistet zu haben. Zwei bis drei Stürze pro Fahrer gibt es laut der Unfallstatistik von Teamarzt Helge Riepenhof jedes Jahr. Riepenhof wertet seit zehn Jahren die Zahlen aus.

Nur einem schienen all diese Bedingungen nichts auszumachen. »Es regnet viel in Wales. Ich bin das gewohnt«, meinte lakonisch Tagessieger Geraint Thomas. Der Sky-Profi hat in Sachen Sturz allerdings vorgelegt; er musste wegen eines Crashs vorfristig den Giro d’Italia beenden.

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