Zelt vorm Kopf

Tom Strohschneider über Grundrechte und Protestcampen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 2 Min.

»Die staatlichen Behörden sind gehalten«, heißt es im Karlsruher Brokdorf-Urteil von 1985 über das Recht zu demonstrieren, »versammlungsfreundlich zu verfahren.« Was man in Hamburg beobachten kann, ist nicht nur unfreundlich. Es ist in Teilen rechtswidrig. Die Polizei hat sich gegen G20-Kritiker selbst ermächtigt und über eine Gerichtsentscheidung hinweggesetzt. Beamte haben eine zu diesem Zeitpunkt erlaubte Versammlung blockiert und Demonstrierende schikaniert.

Dass nun Rufe nach dem Rücktritt des Innensenators laut werden, ist verständlich. Doch selbst wenn in diesem Fall der Fisch vom Kopfe her besonders stinkt - das Problem ist auch jener geistige Ausnahmezustand, in dem es möglich wurde, praktisch allen G20-Kritikern das Label »potenziell gewalttätig« anzuheften. Das Schlafverbot für die Camps wird ja nicht nur mit dem Schutz einer Grünanlage begründet. Sondern mit Angstszenarien, die die Zahl der angeblich »Gewaltbereiten« von Mal zu Mal größer werden und den ganzen G20-Protest zu einem Akt der »Störung und Zerstörung« zusammenschrumpfen lassen. Manche Medien spielen das Spiel gern mit. Manche Aktivisten auch.

Doch selbst das, also der Regelbruch einzelner Demonstrierender, kann nicht gegen den jedem Staatsbürger garantierten Schutz der Versammlungsfreiheit in Stellung gebracht werden. Auch das lässt sich im Brokdorf-Beschluss nachlesen. Hamburg hat eine Polizeiführung, der das offenbar egal ist. Und einen Innensenator, der mindestens ein Zelt vor dem Kopf hat.

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