Sonderrecht der Kirchen höchstrichterlich bestätigt

Jana Frielinghaus über die Privilegien von Kirchen als Arbeitgeber

Die Diakonie ist der Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche. Rund 687 000 Menschen sind dort angestellt, die meisten in Alten- und Krankenpflege sowie Kinderbetreuung.
Die Diakonie ist der Wohlfahrtsverband der Evangelischen Kirche. Rund 687 000 Menschen sind dort angestellt, die meisten in Alten- und Krankenpflege sowie Kinderbetreuung.

Die Diakonie wollte es wissen und sich eins ihrer arbeitsrechtlichen Privilegien von oberster Stelle als rechtmäßig bestätigen lassen. Das ist ihr nun gelungen. Das Bundesverfassungsgericht gab einer Beschwerde statt und erklärte am Donnerstag, das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe den kirchlichen Arbeitgeber mit einem Urteil von 2018 in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht verletzt.

Dabei ging es bei der in Rede stehenden Auseinandersetzung um eine Stelle für ein Projekt zur UN-Antirassismuskonvention, für die die Religionszugehörigkeit eigentlich keine Rolle spielen dürfte. Eine konfessionslose Bewerberin kam nicht in die engere Wahl, sah sich diskriminiert und forderte Schadenersatz, am Ende mit Erfolg. Das BAG berief sich auch auf die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie und konsultierte extra den Europäischen Gerichtshof. Der befand, dass Kirchen eine solche Einstellungsbedingung nur formulieren dürfen, wenn diese »eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation« darstelle.

Karlsruhe legte nun das Recht auf Religionsfreiheit und das Recht von Religionsgemeinschaften auf Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten nach Artikel 140 des Grundgesetzes – der einfach mehrere Artikel aus der Verfassung der Weimarer Republik enthält – weit zugunsten der Kirchen allgemein und der Diakonie im Besonderen aus. Der entsprechende Satz im Grundgesetz lautet: »Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.«

Rein logisch ist es fraglich, ob sich die Diakonie im konkreten Fall und in vielen anderen in der Vergangenheit im Rahmen für alle geltender Grundregeln bewegte. Trotzdem stärkte das oberste deutsche Gericht ein Sonderrecht der Kirchen. Dabei erfüllt die große Mehrheit der 687 000 bei der Diakonie Beschäftigten keinen sogenannten Verkündigungsauftrag, sondern pflegt Alte und Kranke, betreut Kinder, unterrichtet weltliche Fächer.

Und trotzdem nötigt die Diakonie gerade in Ostdeutschland sogar viele Menschen, die etwa durch Betreiberwechsel von Kliniken oder Pflegeheimen unter ihre »Obhut« geraten, zum Beitritt. Sie übt so in eigentlich unzulässiger Weise Macht aus, zumal die von ihr betriebenen Einrichtungen zu großen Teilen staatlich finanziert sind. Das ist angesichts der heutigen konfessionellen Vielfalt und der Säkularisierung der Gesellschaft ein skandalöser Anachronismus, der nur mit der erfolgreichen Verankerung von Lobbyisten im politischen Berlin zu erklären ist.

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