G20: Schaukelnde Eier und männliche Gewaltmasturbation
In den Straßen Hamburgs entlud sich am Rande der G20-Proteste pure Aggression - auch an Frauen. Ein Augenzeuginnenbericht
Es war die totale Eskalation. Das Eierschaukeln von Männern vor Wasserwerfern ist ja bekannt: Kaum ejakuliert eines der Polizeimonstren los, findet sich ein Vermummter, der sich breitbeinig und grölend in den Strahl stellt. Doch was ich in Hamburg beobachten konnte, ging über die üblichen Begleiterscheinungen politischen Protests hinaus. Die Polizei drehte völlig frei, Beamte brüllten herum und griffen wahllos Menschen an, darunter etliche Journalist*innen, Anwält*innen und Sanitäter*innen. Ich selbst wurde mehrfach als »scheiß Journalistenfotze« beschimpft. Ich sah aber auch eine politische Militanz, die in unkontrollierbare nihilistische Gewaltmasturbation umschlug. Die Brutalität der Polizeigewalt und die Massivität der Krawalle brachten die Luft zum Vibrieren – auch für Anwohner*innen und Schaulustige. Auf der Straße und in Cafés prügelten Anwohner sich mit Randalierern, Autonome mit Polizisten, Randalierer mit Autonomen. Mehrfach habe ich gesehen, wie Frauen angebrüllt und bedroht wurden.
Es ist der Freitagnachmittag an den Landungsbrücken, als ich auf einen Tisch eines Cafés nahe vor den Wasserwerfern steige, um die Situation im Blick zu haben und Fotos zu machen. »Wir machen dich nass!«, ruft mir ein Polizist zu. Ich ignoriere ihn und bringe mich in Position. Die Polizei macht ihre Durchsagen, droht den Einsatz des Werfers an, die Demonstranten errichten ihre Barrikaden. Da setzen sich zwei Männer an den Tisch, meine Beine vor ihrer Nase. »Stört euch nicht, wenn ich hier stehe, oder?«, rufe ich hinunter, und, um die Situation aufzulockern: »Ich nehme an, ihr wollt hier nicht in Ruhe picknicken?« »Ganz und gar nicht, wann bekommt man denn sonst einen Table-Dance gratis?«, grölte der eine. »Nicht witzig, ich bin Journalistin, lass mich bitte in Ruhe arbeiten«, antworte ich. »Mäuschen, hast du keinen Humor? Wo bleibt die gute Laune? Tanz mal ein bisschen«, grölt er weiter. »Lass den sexistischen Scheiß«, sage ich ruhig, beschließe, dass das nicht funktioniert, und gehe an einen anderen Tisch. »Nu sei doch nicht so!«, ruft der Typ mir hinterher, »wir wollen doch alle Spaß haben, und deine Beine sind so schön!« Die vierte Durchsage der Polizei: »Verlassen Sie umgehend die Straße.« Die Demonstranten ziehen Absperrgitter auf die Straße. »Lass mich jetzt einfach in Ruhe«, rufe ich, und verliere selbst kurz die Nerven: »du sexistischer Wichser.«
Der Typ steht auf und plustert sich auf. Er kommt herüber. »Wie nennst du mich, du scheiß Fotze?«, brüllt er und stellt sich vor mir auf. »Komm runter, Fotze, dann klären wir das.« Beim Brüllen spuckt er mich an. »Achtung, Achtung«, sagt die Polizei, »auch an die Unbeteiligten: Verlassen Sie die Straße! Der Wasserwerfer wird eingesetzt.« »Ist gut«, sage ich, »die Stimmung ist aufgeheizt, ist für uns alle anstrengend, lass gut sein, lass mich jetzt einfach in Ruhe arbeiten.« »Nichts ist gut«, grölt der Typ, »du hast dich mit mir angelegt, das ist gefährlich, das werde ich dir schon noch zeigen!« Ich drehe mich um. Die Journalisten um mich herum starren gespannt auf die Wasserwerfer und die Demonstranten. Keiner reagiert auf meine Lage. Ich beschließe, ein Foto von dem Mann zu machen. Er rastet aus. »Fotografierst du mich? He? Komm runter! Ich zeige dir, was es heißt, sich mit einem Mann anzulegen als scheiß Fotze. Ich zeige dir, wie gefährlich es ist, sich mit mir anzulegen. Ganz besonders als Frau. Du hast einen großen Fehler gemacht. Das zeige ich dir noch, dich erwische ich.«
Vor uns dröhnt der Wasserwerfer los. Ein Hagel von Steinen und Flaschen kommt aus der anderen Richtung. Der Typ haut ab, ich fotografiere den Einsatz. Einige Zeit später finde ich mich mit einem Haufen Journalisten in einer Bushaltestelle wieder. Wir stehen halb im Wasserstrahl, das Tränengas bringt uns zum Husten, von rechts donnern die Steine und Flaschen auf die Haltestelle, das Glas wird rissig. Da steht plötzlich der Typ wieder neben mir. Er nimmt mich in den Arm, unsere Körper sind nass vor Schweiß und Wasser, ich ekele mich. »Mäuschen, ich wollte mich entschuldigen«, sagt er, »war blöd vorhin. Ich bin kein sexistischer Wichser.« Ich huste. »Alles gut«, krächze ich, »da freue ich mich.« Ich bin erleichtert. Nicht darüber, dass er sich entschuldigt. Sondern dass ich keine Angst mehr haben muss, alleine um die nächste Ecke zu gehen. Mit den Kollegen in der Haltestelle spreche ich mich ab, zusammen auf die andere Seite zu rennen. Als sich die Situation etwas beruhigt, laufen wir los. »Dass du als Mädel hier bist, mit deinem Helm, schon krass«, ruft mir ein Fotojournalist dabei ins Ohr.
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