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Es herrscht Erbsenstress im Elbetal

Sachsen: Erntemaschinen rumpeln rund um die Uhr über die Felder, damit die grünen Perlen schnell eingefroren werden können

  • Violetta Kuhn, Lommatzsch
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Sächsischen Elbetal tickt die Uhr: Denn auf vielen Feldern sind die Erbsen gleichzeitig reif geworden - und haben damit auch die Planung des Bremerhavener Tiefkühlunternehmens Frosta gehörig durcheinander gebracht. Jetzt rumpeln die Erntemaschinen rund um die Uhr über die Felder, auch nachts, damit die grünen Perlen schnell eingefroren werden können.

Erbsen kommen fast nur noch in tiefgekühlter Form an den Kunden. Das heißt: Während der kurzen Saison im Frühsommer muss annähernd der gesamte Bedarf für ein Jahr geerntet werden. Und der Appetit auf Tiefkühlgemüse wächst. 6,3 Kilo hat jeder Deutsche im Jahr 2016 im Schnitt gegessen - 1,3 Kilo mehr als noch im Jahr 2000. Das hat eine Erhebung des Verbandes Deutsches Tiefkühlinstitut (dti) ergeben. Knapp 504 000 Tonnen gefrorenes Gemüse verkaufte die Branche im vergangenen Jahr - für den Außer-Haus-Markt, also etwa Restaurants oder Kantinen, und an den Lebensmittelhandel.

Für den Verbraucher ist das lange haltbare Gemüse in den Tüten oder Pappkartons praktisch. Für diejenigen, die es anbauen, bedeutet es vor allem: einen enormen Planungsaufwand. »Die Erbse ist Stress pur«, sagt Susann Lieber. Sie ist Anbauberaterin bei Frosta im Elbtal, managt also die Produktion unter anderem der Tiefkühlerbsen, -karotten und -bohnen. Die Erbse ist dabei besonders anspruchsvoll: Sie werde sehr schnell reif, und der perfekte Moment zum Ernten sei schwer zu bestimmen, sagt Lieber. Noch dazu sollen möglichst nicht alle Erbsen gleichzeitig den optimalen »Tenderometer«-Wert erreichen: die perfekte Zartheit. Sonst kommen die Tiefkühllinien nicht hinterher.

Wenn die Anbauberaterin Lieber einmal die von Frosta beauftragten Drescherfahrer losschickt, geht es schnell: Ein-, zweimal steuern sie ihre Riesenmaschinen über den Acker und schon ist knapp eine Tonne geschälter Erbsen zusammengekommen.

Das geerntete Gemüse muss dann binnen weniger Stunden zum nahegelegenen Frosta-Werk im sächsischen Lommatzsch geliefert werden, wo es von Verschmutzungen befreit, nach Größe und Zartheit sortiert und schließlich auf einem Fließband tiefgefroren wird. Pro Jahr werden hier Tausende Tonnen Erbsen dieser Frischhalte-Kur unterzogen.

Dieser Koordinationsaufwand bedeutet für die Landwirte: viel Entscheidungsgewalt abgeben. »Die Aussaatdaten werden vorgegeben«, sagt Jens Werner, einer von mehr als 60 Bauern, mit denen Frosta im Elbtal auf Vertragsbasis zusammenarbeitet. Werner sät und pflegt das Gemüse, bis es reif ist. Bei der Ernte hat er dann nichts zu tun, als das Gemüse zum Werk zu fahren. Tag und Nacht. Das Tiefkühlgeschäft wolle er trotzdem nicht missen, sagt Werner. Er könne sich dabei darauf verlassen, dass er seine Erbsen zu einem guten Preis loswerde.

Auch die Kunden schätzen das gefrostete Gemüse: In den Truhen belegt es mit knapp 14 Prozent aller in Deutschland verkauften tiefgekühlten Waren Platz zwei - hinter den Backwaren und vor den fertigen Gerichten, heißt es beim dti. Nicht mitgerechnet ist dabei das Speiseeis. Die bekannten Platzhirsche im sogenannten TK-Gemüse-Segment sind Iglo und Frosta.

Die Bremerhavener steigerten beim Gemüse 2016 den Umsatz um 35,8 Prozent. Wie viele Erbsen, Karotten und Co. insgesamt verkauft wurden, teilte das Unternehmen aber nicht mit. Auch der Gewinn des Gesamtkonzerns stieg: um gut 18 Prozent auf 21,6 Millionen Euro.

Dabei gilt: Nicht alles, was die Frosta AG in ihren vier Werken produziert, trägt am Ende die Marke Frosta. Bei den Erbsen ist es nach Angaben einer Sprecherin zum Beispiel nur ein Drittel. Iglo wiederum - die Gruppe gehört seit Juni 2015 zu dem international tätigen Nahrungsmittel-Konzern Nomad Food - produziert fast ausschließlich für die Eigenmarke. Der Mutterkonzern beansprucht für sich die Marktführerschaft beim Nettoverkauf von gefrorenem Essen in ganz Westeuropa.

Mit Konkurrenz und Markt beschäftigt sich auf den Feldern im Elbtal derzeit aber wohl kaum einer. Die Erbsendrescher fahren und fahren. Und eine lange Erntepause ist nicht in Sicht. Denn nach der Erbse ist vor der Karotte ist vor der Bohne. dpa/nd

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