Vorsicht Falle!

Militanz: Sollte sich die inner- und außerparlamentarische Linke vom Schwarzen Block distanzieren? Ja, meint Tobias Riegel

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist alles seit Jahrzehnten bekannt: die Möglichkeit, mit einer Handvoll Militanter den Protest Tausender zu diskreditieren und medial unsichtbar zu machen. Die Wirkung und der Einsatz des Agent Provocateur. Die Tatsache, dass die Mächtigen Militanz nicht fürchten, sondern herbeisehnen und mutmaßlich verdeckt fördern. So rätselhaft es ist: Viele Linke haben dennoch ein romantisches und naives Verhältnis zu einer für die eigenen Anliegen kontraproduktiven und vom Gegner begrüßten Militanz. Einige spüren den Drang zur Rechtfertigung auch dann noch, wenn die Gewalt alle anderen Aspekte überlagert und Steilvorlage für anti-linke Hetze wird. Man kann die aktuelle Hetze kritisieren, aber dass reale Gewalt die Steilvorlage dafür ist, kann man schwer leugnen. Nun wäre der Moment, dieser kindischen Militanz-Marotte bei Linken öffentlich entgegenzuwirken - von links.

Die Linke muss sich nicht immer wieder von der Militanz distanzieren, ebensowenig wie Muslime vom islamistischen Terror. Die Linkspartei, aber auch die außerparlamentarische Linke, sollten es jetzt dennoch (erneut) tun. Aus gesundem politischem Egoismus. Sie sollten die Gunst der Stunde nach dem Desaster von Hamburg nutzen, um sich (nochmals) öffentlichkeitswirksam vom Schwarzen Block zu distanzieren. Eindeutig und unüberhörbar. Jetzt ist die gute Gelegenheit, sich gesichtswahrend und symbolisch der (tatsächlichen oder medial konstruierten) Verbindung zu einer pubertären militanten Grauzone dauerhaft zu entledigen - und damit auch der medialen Erpressbarkeit bei zukünftigen Straßenschlachten.

Dieser Text ist keine Ermittlung der Schuldigen an der Hamburger Eskalation und keine moralische Bewertung des Schwarzen Blocks. Es gibt sicher schlüssige Herleitungen, nach denen die wahren Militanten nicht das Schanzenviertel verwüsteten, sondern in der Elbphilharmonie dösten. Doch warum spannt man dann durch alberne Randale einen ablenkenden Schutzschirm um die Staatschefs? Die politisch-mediale Wirkung der Autonomen kommt nur den Mächtigen zugute. Für linke Personen und Organisationen ist sie zerstörerisch - da können die Motive für die Gewalt noch so erhaben sein. Man kann den Umstand, dass die Linke dauernd öffentlich mit dem Schwarzen Block verknüpft wird, als ungerecht beklagen, doch das wird ihn nicht ändern.

Darum muss man die militante Sphäre offensiv meiden und sie aus Strategie immer wieder öffentlich kritisieren: reflexhaft, ohne Wenn und Aber und sofort nach einem Ereignis, um den Mediensturm gar nicht erst aufkommen zu lassen. Man kann ohnehin die Uhr danach stellen, wann unter medialem Druck zurückgerudert wird, wenn die Verdammung »linker« Gewalt zunächst ausbleibt.

Nebenbei: Gäbe es den Schwarzen Block nicht, dann würde ihn der Verfassungsschutz erfinden. Er ist die perfekte Mischung aus militärischer Harmlosigkeit und irrationalem Angstpotenzial, das man für juristische, politische und polizeiliche Aufrüstung instrumentalisieren kann.

Das »Welcome To Hell«-Bündnis wertet das Wochenende als Erfolg, weil man die »scheinheiligen Familienfotos« der Politiker »beschmutzt« habe. Dabei müssten die Autonomen doch spätestens jetzt - im linken-feindlichen Medien-Tsunami - merken, dass sie genau die Fotos produziert haben, die gewollt waren, um linke Projekte und Wahlchancen zu zerstören. Der Schwarze Block hat seine Rolle im Sinne der Mächtigen vorbildlich erfüllt, ohne die Politiker dabei im geringsten zu beunruhigen.

Es spricht einiges dafür, dass dem Protest eine Falle gestellt wurde, indem man die Randalierer erst drastisch provoziert und ihnen dann planvoll Raum gelassen hat. Auf die Linke warteten die Fallen erst danach bei der politisch-medialen Verarbeitung. In diese Fallen darf sie nicht immer wieder offenen Auges hineinlaufen.

Das Kontra dieser Debatte lesen Sie hier.

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