Weihnachtsgeschenk der besonderen Art: die neue Grundsicherung

Letzte Kabinettssitzung des Jahres soll Bürgergeldreform beschließen

  • Maria Neuhauss
  • Lesedauer: 2 Min.
2026 können sich Bürgergeldempfänger*innen auf härtere Sanktionen bis hin zum kompletten Leistungsentzug gefasst machen.
2026 können sich Bürgergeldempfänger*innen auf härtere Sanktionen bis hin zum kompletten Leistungsentzug gefasst machen.

Was eigentlich die besinnliche Jahreszeit sein sollte, ist für nicht wenige eine Zerreißprobe für die Nerven. Sind die letzten Arbeitsaufgaben erledigt und die Geschenke besorgt, steht das »Fest der Liebe« an und es geht auf Tuchfühlung mit den familiären Spannungen. Bürgergeldempfänger*innen dürfen sich noch eine Sorge mehr machen. Denn für die Feiertage hat sich die Bundesregierung etwas ganz Besonderes überlegt: Kommende Woche möchte sie auf der letzten Kabinettssitzung in diesem Jahr die neue Grundsicherung beschließen. Das Bürgergeld soll dann ab kommendem Jahr Geschichte sein.

Der Beschluss hätte eigentlich schon letzte Woche fallen sollen. Da es allerdings Unstimmigkeiten zwischen den Koalitionspartnern über einzelne Formulierungen gibt, wurde die Abstimmung noch einmal vertagt. Gegenstand der Zwistigkeiten ist der Grad an Skrupellosigkeit, mit der man Bürgergeldempfänger*innen im Zweifelsfall die Leistungen streichen will. Nach dem gegenwärtigen Entwurf von Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) soll es den kompletten Leistungsentzug bei drei versäumten Terminen nur nach einer persönlichen Anhörung des oder der Betroffenen geben. Der CDU ist das zu viel Entgegenkommen – sie will die Leistungen sofort streichen. Auch die »FAZ« fragt kritisch: »Warum sollte jemand, der zuvor Einladungen des Jobcenters nicht wahrnimmt, ausgerechnet zu einem Termin erscheinen, mit dem ihm die Leistung gestrichen werden soll?« Ein paar naheliegende Antworten ließen sich da durchaus finden.

Arbeitslosigkeit hat in dieser Gesellschaft, in der die Mehrzahl der Menschen lohnabhängig ist und nur wenige die Produktionsmittel besitzen, immer etwas Ambivalentes. Einerseits gehört Arbeitslosigkeit zum Regelbetrieb, und die Notwendigkeit, für Arbeitslosigkeit vorzusorgen, ist trotz der neuen Grundsicherung unbestritten. Andererseits wird Arbeitslosigkeit als Ausnahmefall behandelt: Die Betroffenen werden persönlich dafür verantwortlich gemacht und schikaniert, auch wenn sie nichts an ihrer Situation ändern können. Grund hierfür ist, dass der Druck zu arbeiten aufrechterhalten werden muss – sowohl bei den Arbeitslosen als auch bei denjenigen, die (noch) nicht arbeitslos sind. Denn die kapitalistische Mehrwertproduktion braucht vor allem eins: Arbeitskräfte.

Entsprechend können sich über den Arbeitszwang, der durch die neue Grundsicherung gestärkt wird, alle Unternehmen freuen, vor allem aber diejenigen, die aufgrund ihrer besonders schlechten Arbeitsbedingungen Probleme haben, Arbeitskräfte zu finden. Auf diese Weise wirkt sich die Reform auch auf jene Lohnabhängigen aus, die die Grundsicherung nicht einmal beziehen. Und so ist am Ende für alle etwas dabei.  

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