Stoppschild für Verfassungsfeinde

Jana Frielinghaus über den gescheiterten Versuch des Inlandsgeheimdienstes, einem Linke-Politiker einen Maulkorb zu verpassen

Übt faktenbasiert Geheimdienstkritik: Der Bürgerschaftsabgeordnete Deniz Celik
Übt faktenbasiert Geheimdienstkritik: Der Bürgerschaftsabgeordnete Deniz Celik

Es gibt auch noch gute Nachrichten: Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) geht nicht länger gegen den Linke-Politiker Deniz Celik vor. Nicht, weil es eingesehen hat, dass seine Unterlassungsklage gegen den Bürgerschaftsabgeordneten völlig drüber war. Aber das damit befasste Hamburger Landgericht teilte mit, es sehe nicht, dass der Inlandsgeheimdienst Celik kritische Äußerungen über die Behörde verbieten lassen könne. Der Staat habe »grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten«, teilte es mit.

Es gibt sie also weiter, die funktionierende Gewaltenteilung. Es bleibt dennoch ein Skandal, dass das LfV versuchte, einem Bürger per Gerichtsbeschluss einen Maulkorb zu verpassen. Vor allem aber ist das für die Behörde selbst eine Peinlichkeit sondergleichen. Denn sie, die die »freiheitlich-demokratische Grundordnung« schützen soll, wollte einen Politiker in einem Grundrecht beschneiden, als er eine einfache Wahrheit aussprach.

Anlass für die Unterlassungsklage der Behörde war nämlich ein Statement Celiks Ende Oktober zur vom rot-grünen Hamburger Senat geplanten Wiedereinführung der sogenannten Regelanfrage beim LfV, der die Verfassungstreue aller Bewerber für den öffentlichen Dienst checken soll. Der Abgeordnete hatte dies als Rückkehr zur aus der Zeit der Berufsverbote bekannte Gesinnungsschnüffelei kritisiert. Und den Inlandsgeheimdienst als Institution bezeichnet, die »sich demokratischer Kontrolle weitgehend entzieht und durch Vertuschung, V-Leute-Skandale und immer wieder auch durch den Schutz rechter Netzwerke aufgefallen ist«.

Das ist eben nicht nur eine Meinungsäußerung, sondern eine Tatsachenbeschreibung. Es gibt im Zusammenhang mit dem rechten Terror des NSU mittlerweile Hunderte Regalmeter Akten von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern, die all das belegen, dazu zahlreiche Buchveröffentlichungen. Darüber hinaus haben Celik und die Hamburger Linksfraktion dem Landgericht auch noch konkrete Versäumnisse des Hamburger LfV aufgelistet.

Das LfV hat mit seiner Klage einmal mehr eindrücklich demonstriert, dass es, wie das Bundesamt und die anderen Landesämter, nicht über die nötige Kompetenz verfügt, »die Verfassung« zu schützen. Im Gegenteil: Die Behörden haben immer wieder gezeigt, dass sie die Demokratie teils aktiv untergraben. Dass sie das können, liegt an ihrer von Anfang an undemokratischen Konstruktion, da sie nicht von der Politik kontrolliert werden können. Ein Verweis darauf, dass Dinge bis hin zu gedeckten Morden für das »Staatswohl« hingenommen werden müssen, genügt, um eine substanzielle Aufklärung zu verhindern. Es gilt also weiter: Der Verfassungsschutz gehört abgeschafft. Auch, wenn die Grünen diese ihre langjährige Forderung längst vergessen haben. Und auch, wenn selbst Linke mittlerweile das Bundesamt als Zeuge anrufen, wenn sie ein AfD-Verbot einfordern.

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