Zwei sind nicht zu bremsen

Im Kino: »Sie nannten ihn Spencer« von Karl-Martin Pold setzt dem Schauspieler Carlo Pedersoli ein filmisches Denkmal

  • Christian Baron
  • Lesedauer: 7 Min.

Die besten Szenen in Bud-Spencer-Filmen können ganze Bibliotheken des Widerstands ersetzen, von Karl Marx bis Antonio Gramsci und von Rosa Luxemburg bis Che Guevara. Wie in »Banana Joe«: Da packt die von dem sanften Riesen gespielte Hauptfigur den schmächtigen Minister eines korrupten Staates am Schlafittchen, hängt ihn an den Kleiderständer, setzt sich auf den Chefstuhl und stempelt dem an der Bürokratie verzweifelnden Volk alle Formulare ab. Fünf Kinominuten, die zeigen, was möglich ist, wenn nicht jeder einfach alles hinnimmt.

Es mag eine kleine Übertreibung darin liegen, 300 Filmsekunden die Erkenntniskraft von 300 Theorieschinken anzudichten. Aber wie anders wäre dieser Mensch gewordenen Übertreibung beizukommen? Jahrzehntelang begegneten Kritiker und Kollegen dem zwei Meter großen und 150 Kilogramm schweren Koloss mit Misstrauen und Spott. Bud Spencer hatte nie eine Schauspielschule von innen gesehen, aber er begeisterte mehr Leute als die meisten Mimen mit Prädikatsabschluss.

Niemand sonst verband so perfekt den griesgrämigen Bulldozer mit dem gutmütigen Schnodderbär. Er keilte und juxte sich durch absonderliche, aber identitätsstiftende Plots. Zwei seiner wahrscheinlich größten deutschen Fans fassten vor einiger Zeit den Entschluss, ihn persönlich zu treffen. Sie mussten sich beeilen, denn der Held ihrer Jugend war schon Mitte achtzig. Beide verbinden Prägendes mit ihm: Der schlanke, blonde Marcus Zölch erlitt einen Skiunfall. In den Monaten danach waren Bud-Spencer-Filme das Einzige, worüber er lachen konnte. Der rundliche, dunkelhaarige Jorgo Papasoglou ist von Geburt an blind. Im Leinwandoptimismus des hochherzigen Idols fand er einen Halt.

Doch der Dicke hat sich in seinen letzten Jahren ganz schön dünne gemacht. Wie schwer sich der Kontakt zu dem durch seine Familie abgeschirmten Bud Spencer herstellen ließ, das zeigt der Dokumentarfilmer Karl-Martin Pold jetzt in einer Mischung aus Roadtrip der Bewunderer und Porträt des Bewunderten. Zölch und Papasoglou lassen sich nicht unterkriegen und düsen mit dem unerschütterlichen Glauben an eine Begegnung mit dem Kinogiganten quer durch Europa. Hätten sie ein Motto, es müsste dem Titel eines Bud-Spencer-Werkes entlehnt sein: »Zwei sind nicht zu bremsen.«

Acht Jahre lang arbeitete Pold ohne festes Budget und ohne Produktionsfirma an »Sie nannten ihn Spencer«. Der Titel spielt auf ein biographisches Detail an. Seinen Künstlernamen wählte der 1929 in Neapel geborene Carlo Pedersoli 1967 als Hommage an sein Lieblingsbier Budweiser und seinen Lieblingsschauspieler Spencer Tracy. Damals startete Pedersoli seine Filmlaufbahn und drehte den Western »Gott vergibt - Django nie«. Es war die erste Zusammenarbeit mit Mario Girotti, der sich ebenfalls ein Pseudonym zulegte und am Filmset von einer Liste den Namen »Terence Hill« wählte.

Girotti und Pedersoli kannten sich bereits von der Schwimmabteilung des Vereins Lazio Rom. Im Unterschied zu Girotti hatte Pedersoli vor dem Beginn seines künstlerischen Schaffens unter seinem Taufnamen eine erfolgreiche Karriere als Profisportler hingelegt. Mit Italiens Schwimmteam nahm er sogar an den Olympischen Spielen teil. Auch während der späteren Filmlaufbahn blieb er umtriebig: Der studierte Jurist gründete eine Jeansfirma, er erfand einen Spazierstock mit eingebautem Stuhl, und er komponierte Lieder. Bud Spencer war, das ist eine weitere zulässige Übertreibung, ein Otto Normalgoethe im XXL-Format.

Die Politik war nicht sein bevorzugtes Betätigungsfeld. Und doch gibt es herrliche Storys über Carlo Pedersoli, die bei Pold leider nicht vorkommen. In Fan-Kreisen macht etwa eine Geschichte aus dem Jahr 1978 die Runde, als der Dreh zu »Plattfuß in Afrika« gerade abgeschlossen war. Neben Spencer spielte der minderjährige Baldwin Dakile die zweite Hauptrolle. Das Filmteam ging zum Feiern in ein Restaurant. Dort verwehrte man dem Jungen den Zutritt - wegen seiner im Zeitalter der Apartheid in Südafrika als zu dunkel empfundenen Hautfarbe. Carlo Pedersoli mischte damals zwar nicht im Stil des Bud Spencer den rassistischen Laden auf, er äußerte aber deutlich seinen Unmut, verließ den Ort mitsamt seiner Entourage und bekam später Ärger mit dem Regime.

Wer bislang nichts mit Leben, Werk und Wirkung dieses Klassikers der Haudraufkomödie anfangen konnte, dem wird es schwerfallen, »Sie nannten ihn Spencer« ernst zu nehmen. Es ist - wie so viele Kinoporträts - ein Streifen geworden, der zu einer gläubigen Gemeinde predigt. Hinzu kommt, dass die beiden exemplarisch eingebundenen Fans außer ihrer angebrachten Anbetung des Großmeisters keinen Grund bieten, warum sich das Publikum weiter für sie interessieren sollte. Vielleicht ist aber auch genau dies für Spencer und Hill bislang nicht Vergötternde ein Anlass, ins Kino zu gehen. Durch seinen ungewöhnlichen Zugriff gelingt es Pold, die Legendenwerdung dieses bis heute populären Filmduos zu erklären.

Zölch und Papasoglou donnern sich in ihrem VW-Bus auf der Fahrt nach Italien ständig Sprüche aus Spencer-Hill-Filmen an die Birne. Den dramaturgischen Bogen mit Rückschlägen und Hoffnungsschimmern spannen sie zwar sehr unbeholfen. Genau darin zeigen sich im Kontrast zu den hineingeschnittenen Filmszenen aber die zwei Seiten der Leichtigkeit: Die Spencer-Hill-Drehbücher sind einfach gestrickt. Die Kunst des im Hiebestaumel für Gerechtigkeit kämpfenden Prügelpaares besteht darin, dieser Einfachheit einen außeralltäglichen Glanz zu verleihen.

Bud Spencer und Terence Hill, das sind die Sphären des arglosen Guten und des trotteligen Bösen. Bud Spencer und Terence Hill, das sind Fressattacken, Wortgefechte, Doppelbackpfeifen, Kinnschwinger, Nackenschellen und Dampfhammer - ohne dass auch nur ein Tropfen Blut fließt. Bud Spencer und Terence Hill, das sind surreales Prügelklatschen und sauberer Slapstick. Bud Spencer und Terence Hill, das ist das, was herauskommt, wenn man Asterix und Obelix mit Laurel und Hardy verbindet.

Nirgendwo gewinnt die richtige Seite so schlagfertig wie bei ihnen. Sie hämmern den Halunken eine Delle in die Gewürzgurke, sie geben ihnen was vor die Sabberrinne, sie drehen ihnen die Riechpriemen weg, sie hauen ihnen den Staub aus dem Pudel, und sie spitzen ihnen den Spargel an, bis man ihn für einen Pfirsich hält. In »Vier Fäuste gegen Rio« freut sich Greg Wonder alias Bud Spencer auf ein Hafenkonzert, worauf Eliot Vance alias Terence Hill korrigiert: »Kein Hafenkonzert, ein Harfenkonzert! Eine Harfe ist so ein Gartenzaun, wo man reingrabscht.« Und in »Vier Fäuste für ein Halleluja« gibt es Weisheiten wie diese zu hören: »Die Bohnen müssen schön weich sein, sonst ist nachher dein Sattel perforiert!«

Am Erfolg im deutschsprachigen Raum haben solche Zeilen einen großen Anteil. Im Original sind Spencer und Hill deutlich maulfauler. Darum ist der heimliche Held in Polds Film der deutsche Synchronregisseur Rainer Brandt. Ihm ist das Gros des Sprachwitzes zu verdanken. Darauf lässt sich leicht achten: Sobald der Mund des Bud Spencer für einen Moment nicht im Bild ist, feuert Brandts Kalauerkanone aus allen Rohren.

Andere Weggefährten des 2016 verstorbenen Schwergewichts kommen in dem Film ebenfalls zu Wort. Sie liefern Anekdoten und sind clever in die Rahmenhandlung integriert: Riccardo Pizzuti, der Lieblingsschurke in den Filmen, zeigt Zölch und Papasoglou einige Stunts. Die für viele Soundtracks verantwortliche Band Oliver Onions, die das Spencer-Hill-Universum um Ohrwürmer wie »Dune Buggy« oder »Flying Through The Air« bereicherte, musiziert mit den beiden und gibt Hinweise, wie der Gesuchte aufzutreiben sein könnte.

1995 war »Die Troublemaker« das siebzehnte und letzte gemeinsame Filmprojekt von Bud Spencer und Terence Hill. Der liebste Film seines Lebens war Spencer laut dem ersten Band seiner 2011 erschienenen Autobiographie aber einer seiner vielen Auftritte als Solist: »Banana Joe«. Es ist die Geschichte eines sogenannten einfachen Mannes, der in einem Dorf im Amazonasgebiet lebt. In seiner Schaluppe transportiert er Bananen in die Stadt und erhält dafür alles, was seine vielköpfige indigene Familie braucht. Eines Tages steigt ein zwielichtiger Unternehmer in das Business ein. Er strebt ein Monopol an und verpfeift Joe bei den Behörden, denn der hat keine Lizenz.

Also macht Joe sich auf die Socken und besorgt einen Gewerbeschein. Das bewerkstelligt er unbekümmert und fröhlich. Vielleicht fühlte sich der Schauspieler diesem Joe so nah, weil er von allen Rollen jenem Mann am nächsten kam, den dessen Vertraute in Polds Film beschreiben. Der Regisseur Alessandro Capone resümiert etwa: »Man muss Bud Spencer einfach lieben.« Ein Satz, so apodiktisch wie simpel - und eine angemessene Übertreibung.

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