Rechtsextremismus-Studie offline

Ostbeauftragte wirft den Autoren nach Monaten »unentschuldbare Schlamperei« vor

  • Florian Haenes
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), hat sich am Donnerstag von einer Rechtsextremismus-Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung distanziert. Die Untersuchung war von Gleicke selbst in Auftrag gegeben und bislang gegen zum Teil heftige Kritik verteidigt worden. In einem Brief an das Forschungsinstitut, der dem »nd« vorliegt, wirft sie den Wissenschaftlern nun »unentschuldbare Schlamperei« vor.

Ihr Vorwurf: Nicht belegbare Aussagen sollen als Tatsachen dargestellt worden sein. Die Kritik richtet sich offenbar gegen eine Textpassage, in der ein Befragter behauptet, Mitglieder der Erfurter CDU würden auf Demonstrationen der AfD auftreten, zudem würde ein CDU-Stadtrat offen rechtsextreme Positionen vertreten. Die Aussage über den Erfurter CDU-Stadtrat ist in der Studie allerdings eindeutig als Zitat gekennzeichnet. Das Bundeswirtschaftsministerium, dem das Büro der Ostbeauftragten angegliedert ist, wollte auf Anfrage nicht bestätigen, dass es sich bei dieser Textpassage um den Gegenstand des Vorwurfs handeln.

Der namentlich genannte Stadtrat ist in einer aktualisierten Fassung anonymisiert worden. Gleicke kritisiert jedoch, die Neufassung erhalten zu haben, ohne vom Institut über die Änderungen im Einzelnen informiert worden zu sein. Dieser Darstellung widersprach das Institut gestern in einer Mitteilung - die Ostbeauftragte sei über die Änderung in Kenntnis gesetzt worden.

Weder die ursprüngliche noch die aktualisierte Version der Studie ist derzeit auf der Internetseite der Ostbeauftragten abrufbar. Gegenüber »neues deutschland« erklärt das Wirtschaftsministerium, vom Institut selbst gebeten worden zu sein, die Studie nicht länger zu verbreiten.

In der Studie hatten die Autoren in einzelnen Regionen in Ostdeutschland eine historisch gewachsene Neigung zu Fremdenfeindlichkeit festgestellt. Nach der Veröffentlichung im Mai löste die Studie Kontroversen aus. Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer kritisierte, dass die Autoren unzulässige Schlüsse über Ostdeutschland zögen, und bezeichnete die Studie als unwissenschaftlich. Die Zeitung »Die Welt« warf den Autoren vor, Gesprächspartner erfunden zu haben. Es stellte sich später jedoch heraus, dass die Autoren Gesprächspartner mit Aliasnamen versehen hatten, ohne dies im Text kenntlich zu machen. Die Autoren sprachen von einer Kampagne.

Bisher hatte Gleicke die Studie gegen Kritik verteidigt. Ihre Neueinschätzung begründet das Ministerium damit, dass man die falsche Tatsachenbehauptung erst später entdeckt habe. Man prüfe, die Kosten der Studie in Höhe von 130 000 Euro vom Institut zurückzufordern.

Das Institut warf dem Ministerium indes vor, sich aus Gründen des Wahlkampfes »überstürzt davon zu machen«.

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