Zoff zwischen Zagreb und Ljubljana

Die Töne im slowenisch-kroatischen Grenzstreit werden zunehmend schriller

  • Elke Windisch, Dubrovnik
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Staat übernimmt die Umzugskosten und hilft auch, wenn es irgendwo klemmt: Bei der Demontage der Schlafzimmerschränke oder beim Verkauf der Immobilien. Mit dem Rundum-sorglos-Paket stehen slowenische Staatsdiener seit Kurzem bei ihren Landsleuten im südlichsten Zipfel der malerischen Bucht von Piran auf der Matte. Niemand werde auf der »unglücklichen Seite« der Grenze zurückgelassen, so die Botschaft. Die Rede ist von Kroatien, wo in den Dörfern im äußersten Nordwesten mehrere hundert ethnische Slowenen siedeln. Meist im besten Einvernehmen mit der Titularnation. Obwohl Zagreb und Ljubljana seit Jahren um die Grenzziehung streiten.

Zwar sprach ein internationales Schiedsgericht Ende Juni Slowenien den Großteil der Wasserfläche und einen Korridor für den Zugang zum offenen Meer durch kroatische Territorialgewässer zu. Kroatien erkennt das Urteil jedoch nicht an und klinkte sich schon 2016 aus dem Verfahren aus. Der Grund: Geheimabsprachen zwischen Sloweniens Schiedsrichter und dem Außenministerium. Durch den Skandal sah Zagreb sich zudem in seinen prinzipiellen Vorbehalten gegen ein Ad-hoc- oder »freundschaftliches« Schiedsgericht bestätigt. Dieses entscheidet nicht strikt nach Völkerrecht wie ein internationaler Gerichtshof, sondern ist um Interessenausgleich bemüht. Nur um Sloweniens Veto gegen den EU-Beitritt zu überwinden, rang Kroatien sich 2009 dennoch die Zustimmung zu einem Schiedsverfahren ab.

Auch Slowenien ist mit dem Piran-Urteil nicht restlos glücklich: Es bestätigt im Wesentlichen die Demarkationslinie zwischen den Republiken des ehemaligen Jugoslawien als Landgrenze. Die von beiden beanspruchten Dörfer in der Bucht bleiben daher kroatisch. Ljubljana pariert mit kollektiver Umsiedlung der dort lebenden Slowenen.

Die Pläne rühren auf dem gesamten Balkan an kollektive Traumen des vergangenen Jahrhunderts: an den griechisch-türkischen oder den griechisch-bulgarischen Volkstausch als Nachbeben vom Ende des Osmanischen Reichs und an die Zwangsumsiedlung der Kosovo-Albaner nach Albanien, mit der Jugoslawien nach Titos Tod 1982 die Zentrifugalkräfte bremsen wollte.

In Friedenszeiten dagegen hat kollektive Umsiedlung nach ethnischen oder religiösen Prinzipien Seltenheitswert. Zumindest in Europa. In der jüngsten Geschichte machten nur die meschetinischen Türken Schlagzeilen, Stalin hatte sie im Zweiten Weltkrieg als »unzuverlässig« aus Georgien deportiert, dort wollte man sie auch nach dem Ende der Sowjetunion nicht, etwa 15 000 ließen sich daher in der südrussischen Region Krasnodar nieder und wegen massiver Diskriminierung 2004 kollektiv in die USA ausfliegen.

Von den kroatischen Slowenen im Grenzgebiet dagegen, glaubt der Journalist und Kenner Denis Romac, würden sich nur wenige zur Umsiedlung entschließen. Sie seien gut integriert. Auch gehört die Volksgruppe - insgesamt 11 000 in ganz Kroatien, das sind 0,25 Prozent der Gesamtbevölkerung - zu den 22 offiziell anerkannten und geförderten nationalen Minderheiten. Die slowenischen Kroaten dagegen - 36 000 Seelen und damit 1,8 Prozent - kämpfen seit Jahren vergeblich um Gleichstellung mit den anerkannten Minderheiten im Land: Italiener, Ungarn und Roma.

Slowenien sieht sich dennoch als Wächter europäischer Tugenden, drängt die EU-Kommission in Brüssel zu Sanktionen wie gegen Ungarn und Polen und droht mit Veto gegen Kroatiens Beitritt zum Schengen-Raum. Das würde indes nicht nur Kroatien-Urlaubern schaden. Kroatien ist größter Handelspartner Sloweniens und kontrolliert Filetstücke von dessen Wirtschaft. Dennoch versucht Ljubljana sogar, das ungeliebte Belgrad in den Konflikt hineinzuziehen. So jedenfalls erklären sich Beobachter in Zagreb, dass Serbien plötzlich auf Tempo bei der Grenzziehung in der Donau drängt und dabei mit dem Schiedsspruch zur Bucht von Piran wedelt. Es könnte, so glauben selbst kritische Experten, ein Schuss ins eigene Knie werden: Nach dem Piran-Prinzip würden beide Flussufer Kroatien zufallen.

Der kroatisch-slowenische Streit sei nicht nur der schlimmste Grenzkonflikt innerhalb der EU, sondern auch einer der kritischsten Momente seit Ende der jugoslawischen Teilungskriege, schreibt die Zagreber Wochenzeitschrift »Globus«. In der Tat: Zwar will Slowenien versuchen, sich mit Kroatien »einvernehmlich« über die Umsetzung des Piran-Urteils zu einigen. Sollte das jedoch fehlschlagen, wolle man »Entschlossenheit zeigen«. Das machte Regierungschef Miro Cerar vergangene Woche einmal mehr deutlich.

Ein Termin für seinen geplanten Besuch in Zagreb steht noch nicht fest, die Atmosphäre ist schon jetzt vergiftet: Er, so ausgerechnet Sloweniens Chefdiplomat Karl Erjavec, habe Cerar von dem Treffen abgeraten. Er wisse aus »persönlicher Erfahrung, dass Kroatien sich nicht an Verabredungen hält« und den Dialog »missbrauchen« könnte, um das Urteil zu »verwässern«, so Erjavec.

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