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Leichen im Keller

Schleswig-Holstein: In der aktuellen Polizei-Affäre läuft nun alles auf einen U-Ausschuss zu

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Massive Vorwürfe wegen Aktenmanipulation und Mobbing beim Landeskriminalamt (LKA) sowie das Verhalten der Polizeiführung in dieser Sache beschäftigen seit Mai Justiz und Landespolitik in Schleswig-Holstein. Nun wird die Angelegenheit wohl Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Die seit der Wahl im Frühjahr oppositionelle SPD kündigte an, im Herbst solch ein Kontrollgremium installieren zu wollen. Damit zieht die Polizei-Affäre immer größere Kreise.

Es geht dabei längst nicht nur um aus den eigenen Reihen angeprangerte dienstinterne Verfehlungen beim Landeskriminalamt. Es geht auch um mögliche Spitzeldienste aus dem Rockermilieu für die Polizei und aktuell sogar um den Verdacht, dass Journalisten der »Kieler Nachrichten«, die über den Sachverhalt recherchierten und berichteten, überwacht worden sind. Der Innenausschuss des Kieler Landtages hat sich der Vorgänge angenommen, doch SPD-Innenpolitiker Kai Dolgner betrachtet das als nicht ausreichend. Um Aussageverweigerungen zu umgehen, aber vor allem auch um beteiligte Polizeibeamte vor disziplinarischen Maßnahmen wegen der Preisgabe von Dienstinterna zu schützen, sieht er nur die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses als bestmöglichstes Parlamentsinstrument. Der Landtag ist laut Landesverfassung verpflichtet, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn ein Fünftel seiner Mitglieder dies verlangt. Dies wären bei 73 Abgeordneten 15. Die SPD verfügt über 21 Sitze.

Damit wird das Thema, das die Piratenpartei noch vor ihrem Ausscheiden aus dem Landtag erstmals auf die Agenda gebracht hatte, wohl noch einige Jahre der Aufarbeitung benötigen. Gleich mehrere Institutionen sind mittlerweile daran beteiligt. Die unabhängige Polizeibeauftragte, Samiah El Samadoni, untersucht vor allem Vorwürfe des Mobbings und interner Überwachung von Polizeibeamten. Dass ihr seitens des bis zum Frühjahr SPD-geführten Innenministeriums dabei zeitweise Hürden aufgebaut wurden, hat bereits für Empörung gesorgt. Als eine seiner letzten Amtshandlungen gab der nach der Wahl ausgeschiedene SPD-Innenminister Stefan Studt dann eine staatsanwaltliche Prüfung ob strafrelevanter Dinge in Auftrag. Sein Amtsnachfolger Hans-Joachim Grote (CDU) hat zudem den früheren SPD-Innenminister Klaus Buß als Sonderermittler in der Affäre benannt.

Was mit der Unterdrückung von Ermittlungsvermerken durch Beamte des Landeskriminalamtes begann, hat nun eine bedeutsame politische Dimension angenommen. Hintergrund ist das vom damaligen CDU-Innenminister Klaus Schlie im April 2010 ausgesprochene Verbot des Bandido-Chapters Neumünsters. Sollten sich Hinweise verdichten, dass der Bandido-Boss Ralf B. auf der Informantenliste der Polizei stand, wäre die Verbotsverfügung womöglich unter nicht rechtssicherem Rahmen zustande gekommen. Es darf somit auch spekuliert werden, weshalb der neue CDU-Ministerpräsident Daniel Günther in seinem Kompetenzteam vor der Landtagswahl noch Schlie als Innenminister in Erwägung zog, nach gewonnener Wahl sich aber bei dem Posten für Grote entschied.

Und schließlich gilt es, einen nicht minder wichtigen Nebenschauplatz der Affäre aufzuhellen. Die »Kieler Nachrichten«, die die Vorgänge seit Wochen mit offensiver Berichterstattung begleiteten, sind mit ihrer Annahme, sie würden heimlich überwacht, um Quellen und Informationszuträger aus Polizeikreisen ausfindig zu machen, an die Öffentlichkeit gegangen. Die vermeintlichen Indizien: geortete Peilsignale eines Senders am Dienstfahrzeug des Chefredakteurs (der Sender selbst wurde jedoch nicht gefunden) und ein zerstörter E-Mail-Account eines Redakteurs. Wie belastbar diese Indizien sind, auch damit beschäftigt sich gerade die Staatsanwaltschaft.

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