Wohin mit dem Straßenstrich?
Grüner Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel fordert Konzept für Umgang mit Sexarbeit
Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), hat ein landesweites Verbot der Straßenprostitution gefordert. Er reagiert damit auf Beschwerden von Anwohnern, die häufig »Zeugen des sexuellen Vollzugs« sind und sich über Müll und Dreck auch durch Freier ärgern.
»Auf Spielplätzen wird am Tage öffentlich kopuliert, während daneben das Kind die Rutsche runterrutscht«, sagte von Dassel am Freitag auf einer Pressekonferenz. »Ich sehe keine Alternative zu einem landesweiten Verbot der Straßenprostitution. Ich wünschte mir, das anders lösen zu können«, sagte er weiter. Auch weil die Frage »gesellschaftlich kontrovers« sei. Straßenprostitution gehöre nicht in Wohngebiete. Einzelne Sperrbezirke einzuführen, würde die Prostitution aber nur verlagern.
Mit seiner Forderung will von Dassel in erster Linie den Senat und die anderen Bezirke dazu bringen, sich dem Thema zu stellen. Bisher würden alle wegschauen. »Nicht-Entscheidung ist das Schlimmste.« Berlin könne von Konzepten aus anderen Städten lernen. Köln beispielsweise habe ein fußballfeldgroßes Gelände in einem Gewerbegebiet zur Verfügung gestellt, wo Prostitution legal sei.
Seit dem 1. Juli ist ein neues Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Von Dassel kritisierte einige der neuen Regelungen als nicht praktikabel. Beispielsweise seien die meisten Wohnungsbordelle nicht mit den neuen Regelungen vereinbar. Das hält er für falsch.
Irritiert über die Verbotsforderung ihres Parteikollegen zeigte sich die Landes- und Fraktionsspitze der Grünen. Vielmehr müsse man verstärkt auf aufsuchende Sozialarbeit, eine höhere Polizeipräsenz und eine Ausweitung der Beratungs- und der Gesundheitsangebote setzen, erklärten der Landesvorsitzende Werner Graf und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Sebastian Walter. Sie widersprachen auch der Aussage, auf Landesebene werde nichts getan. Die rot-rot-grüne Koalition habe einen Antrag auf einen »Runden Tisch Sexarbeit« eingebracht, an dem alle Akteure beteiligt werden sollen.
Auch der Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen mit Sitz in Berlin reagierte verwundert. Mitarbeiterin Charly, die nur ihren Vornamen nennen wollte, sagte, das führe zur Illegalisierung von Sexarbeit. Zudem könnten nicht alle Frauen einfach auf ein Bordell umsteigen. Ihnen fehle beispielsweise das Geld, sich ein Zimmer zu mieten. »Sexarbeit ist nicht gleich Sexarbeit.«
Für Wohnungsbordelle fordert der Verband eine 15-jährige Übergangsphase bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen. Damit hätten die Betreiberinnen ausreichend Zeit, alternative Räumlichkeiten zu finden, was mit den Vorgaben des neuen Gesetzes nicht einfach sei.
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