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Venezuela: Generalstaatsanwältin Ortega abgesetzt

Verfassungsgebende Versammlung ordnete Entlassung von Regierungskritikerin an / Wirtschaftsbündnis Merosur setzt Mitgliedschaft des Landes dauerhaft aus

  • Lesedauer: 3 Min.

São Paulo. In Venezuela ist die regierungskritische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega abgesetzt worden. Die Entscheidung traf die verfassungsgebende Versammlung, wie die Tageszeitung »El Universal« am Samstag (Ortszeit) berichtet. Zuvor hatte die Nationalgarde das Büro von Ortega umstellt. »Ich klage diese Willkür vor der nationalen und internationalen Gemeinschaft an«, schrieb sie via Kurznachrichtendienst Twitter. Die südamerikanische Wirtschaftsunion Mercosur warf Venezuela einen »Bruch der Demokratie« vor und beschloss, die Mitgliedschaft dauerhaft zu suspendieren. Die verfassungsgebende Versammlung in Caracas will auf eigenen Beschluss bis zu zwei Jahre im Amt bleiben.

Mit einer einstweiligen Verfügung hatte Ortega noch versucht, die Zusammenkunft der Versammlung zu verhindern. Sie ordnete zudem Ermittlungen wegen Manipulationsvorwürfen bei der Wahl des Gremiums an. Die für die Wahlcomputer zuständige Firma Smartmatic hatte Manipulationen bei der Abstimmung öffentlich gemacht. Auswertungen der Wahlcomputer hätten ergeben, dass mindestens eine Million Wähler weniger abgestimmt hätten, als von der Regierung bekannt gegeben wurde, hatte das Unternehmen erklärt. Ortega hatte auch die zeitweise Entmachtung des von der Opposition dominierten Parlaments durch den Obersten Gerichtshof kritisiert. Auf ihren Druck hin wurde das Urteil wieder aufgehoben.

Ortega, die einst Anhängerin des verstorbenen Staatschefs Hugo Chávez war, entwickelte sich zu einer der schärfsten Kritikerinnen von Staatspräsident Nicolás Maduro und wirft ihm »diktatorische Ambitionen« vor. Nach der jetzigen Entscheidung darf sie das Land nicht verlassen und all ihre Konten wurden eingefroren. Zuvor hatte sie in einem Telefonat mit dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, von versuchten Einschüchterungen durch hochrangige Regierungsfunktionäre berichtet. Ihr Nachfolger soll der Maduro-Vertraute Tarek William Saab werden.

Mercosur erhöht Druck auf Maduro

Das Regionalbündnis Mercosur erhöhte den Druck auf Maduro und beschloss eine dauerhafte Aussetzung der Mitgliedschaft Venezuelas. Bereits Ende 2016 war das Land vorübergehend suspendiert worden. Der Beschluss könne erst rückgängig gemacht werden, wenn in Venezuela die demokratische Ordnung wiederhergestellt sei, erklärte das Bündnis.

Das venezolanische Oppositionsbündnis MUD verurteilte die Absetzung von Ortega. »Jede Einschüchterung und die Verletzung unserer Grundrechte bestärkt uns nur darin, weiter auf die Straße zu gehen«, schrieb Parlamentspräsident Julio Borges via Twitter. Oppositionsführer Henrique Capriles rief die Regierungskritiker zur Einigkeit auf. »Wenn wir weiter zusammenhalten, werden wir unsere Moral nicht verlieren«, erklärte Capriles. Er kündigte weitere Demonstrationen in den kommenden Tagen an.

Die 545 Mitglieder der Versammlung sind mehrheitlich Regierungsanhänger. Das Gremium hat weitgehende Vollmachten und kann alle staatlichen Institutionen auflösen. Es gibt Befürchtungen, dass das Gremium das Parlament dauerhaft ersetzen wird. Seit Anfang 2016 stellt die Opposition die Mehrheit im Nationalparlament. Maduro will die verfassungsgebende Versammlung nach eigenen Angaben auch dafür nutzen, die Immunität der Oppositionsabgeordneten aufzuheben und diese ins Gefängnis bringen.

Die USA, die EU und zahlreiche Länder haben die Wahl der Versammlung als illegal abgelehnt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bot seine Vermittlung zwischen Regierung und Opposition an. Er wolle alle Versuche unterstützen, einen glaubhaften Dialog zwischen den Konfliktparteien zu beginnen und die Gewalt zu beenden, erklärte Macron. Seit Beginn der Massenproteste Anfang April sind mindestens 130 Menschen bei gewaltsamen Ausschreitungen ums Leben gekommen.

Für Vermittlung in Venezuela plädierte auch der Vorsitzende der LINKEN, Bernd Riexinger. Alle Seiten müssten aus der »Eskalationsspirale« raus, um weiteres Blutvergießen zu verhindern, sagte Riexinger der »Mitteldeutschen Zeitung« (Online) in Halle. Er schlug vor, Verhandlungen mit Hilfe des Vatikan zu beginnen. epd/nd

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